Freitag, Dezember 26, 2008

Feuer frei auf Afro-Amerikaner in New Orleans



Die Petition, in der eine Strafverfolgung gefordert wird, kann man hier unterschreiben: klick

Plötzliche Eskalation rechtsextremer Gewalt?

Seit dem Mordanschlag auf den Passauer Polizeichef ist das Thema Rechtsextremismus plötzlich wieder in aller Munde. Und permanent ist davon die Rede, dass die rechtsextreme Gewalt ganz plötzlich eine neue Stufe erreicht. Für die, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten in Deutschland von Mobs verfolgt, geschlagen, getötet, beschimpft und gefoltert wurden, ist das natürlich der blanke Hohn.

Zum Glück hat noch jemand darüber geschrieben (klick):
Die Frage ist nun nicht, ob und welche Maßnahmen die richtigen, effektivsten wären – vielmehr lautet die korrekte Fragestellung: Warum spricht man erst jetzt von einer Eskalation und nicht schon viel früher?

Wir blicken ein paar Jahre zurück: Im Jahre 2000 erliegt Alberto Adriano, afrodeutscher Fleischer, wenige Tage nachdem er von mehreren Nazis angefallen wurde, seinen Verletzungen. Die “Brothers Keepers” widmen ihm den Song “Adriano (Letzte Warnung)”. 2001: Der aus Sierra Leone stammende Momoh Kabbah, damals 16, wird von vier Neonazis geschlagen und an einem Auge schwer verletzt. Er sagt dazu: “Ich habe Sierra Leone verlassen, weil ich Angst um mein Leben hatte (…). Ich bin nach Deutschland gekommen, um hier Schutz zu finden. Aber auch hier bin ich anscheinend nicht sicher. Es ist sogar schlimmer, denn auf das, was hier passiert ist, war ich überhaupt nicht vorbereitet gewesen.” 2002: Drei junge Männer – zwei von ihnen Neonazis – töten einen 16 Jährigen aus Langweile, in dem sie ihn zwingen, auf einen Trog zu beißen und ihm anschließend auf den Hinterkopf springen; wie es auch in dem Film “American History X” von Regisseur Tony Kaye zu sehen ist. 2006: Während die Fußballweltmeisterschaft in Deutschland ausgetragen wird, werden in Berlin-Spandau mehrere EmigrantInnen von vermeintlichen Fußballfans, die Ausrufe wie “Hier regiert der nationale Widerstand” tätigen, mit Flaschen beworfen. Ein Großaufgebot der Polizei muss eingreifen. Ein Jahr später, 2007: Unter fremdenfeindlichen Parolen wird eine Gruppe von Indern durch Mügeln (Sachsen) gejagt und zum Teil verletzt.

Eine Auflistung solcher Angriffe ließe sich schier endlos weiterführen, ganz zu schweigen von all den nicht bekannt gewordenen Übergriffen.

Dienstag, Dezember 23, 2008

Aufruf zu Demonstration gegen rassistische Polizeigewalt

Pressemitteilung von The VOICE/Refugee Forum mit einem Aufruf zu einer Demonstration, die am 07. Januar um 13 Uhr in Dessau am Hauptbahnhof beginnt:

Kompletter Aufruf als pdf
Auszüge hier:
Überall wo wir hinkamen, sagten wir, was offensichtlich war: „Oury Jalloh, das war Mord!“ Wir sahen zu, wie Beweise konstruiert wurden, wie durch Experten die Position der Täter untermauert wurde. Wir hörten und lasen die rassistischen Bemerkungen der Polizeibeamten, des Amtsarztes, der oberen Polizeiherren und mussten uns gegen die Angriffe der NPD und rechter Gruppen wehren, die uns jedes Mal in Dessau sagten: „Eine Kugel für jeden Ausländer!“ Doch nie wurde in diesem langwierigen Prozess auch von Rassismus gesprochen.
[...]
Für uns ist der Polizist ein Mittäter, der Oury Jalloh in Gewahrsam genommen hat,… weil bisher - auch nicht in dem Gerichtsverfahren – ein Grund genannt wurde, warum er in Gewahrsam genommen wurde. Weil wir aus unseren eigenen Erfahrung erlebt haben, wie willkürlich die Polizisten uns tagtäglich kontrollieren, misshandeln und kriminalisieren, weil ihnen unsere Hautfarbe, unsere Haarfarbe oder Herkunft nicht passt.
[...]
Viele von uns tragen die Narben der Gewalt, die wir selbst bei rassistischen Polizeikontrollen, in Flüchtlingslagern und Abschiebehaft erfahren mussten.

Für uns sind alle am 7. Januar 2005 im Polizeirevier Dessau anwesenden Polizisten Täter, weil sie entweder, geschwiegen haben zu den Geschehnissen, deren genauen Ablauf wir wahrscheinlich nie erfahren werden, oder selbst den Tod von Oury Jalloh herbeigeführt haben, indem sie ihn gefesselt, erniedrigt und beleidigt haben, in dem sie ihm die Nase gebrochen haben und wahrscheinlich auch angezündet haben. Sie sind alle Mittäter, weil sie die vom Polizeichef und einen der Angeklagten konstruierten Tathergang stumm angenommen haben und diese als Wahrheit im Gericht dargestellt haben, ohne ihre eigenen Gewissen und alle Werte, die uns als Menschen wichtig sind, heranzuziehen.

Für uns sind alle an den Ermittlungen beteiligten Polizisten, Kriminalbeamte und der Staatsanwalt Komplizen der Mörder, [...]

Für uns ist letztendlich die deutsche Regierung verantwortlich für den Tod von Oury Jalloh und alle anderen Opfer rassistischer Staatsgewalt,

… weil sie jeden Tag Rassismus schürt, Rassismus in Gesetzen wie die Residenzpflicht, das Ausländergesetz, in Asylbewerberleistungsgesetz gießt und bewusst den Tod von Flüchtlingen jeden Tag bei Abschiebungen in Kauf nimmt und an den Grenzen von Europa forciert. Sie ist schuldig, weil sie durch Einsatz von Polizisten bei rassistischen Polizeikontrollen, bei Erstürmung von Flüchtlingslagern und bei Abschiebungen unser Leben und Würde verletzt. Sie ist schuldig, weil sie durch Kollaboration mit unseren Regierungen Menschenleben aufs Spiel setzt im Wettbewerb um Rohstoffe, Märkte und letztendlich zur Verteidigung der Profite der großen Unternehmen, die sie hier vertritt. Sie ist schuldig, weil sie im Namen der Menschenrechte und des Friedens Waffen und bis an die Zähne bewaffneten Soldaten in unseren Ländern schickt.
Um die schuldigen anzuklagen und die Toten zu gedenken, mobilisieren wir zum vierten Todestag von Oury Jalloh und Laye Konde nach Dessau. Wir wollen dort all das verteidigen, was uns zu Menschen macht und wir wollen das Schweigen brechen, das die Morde in dieser Gesellschaft und in unserer Welt akzeptiert und duldet.

Mehr Infos zu dem, was wir sagen, zu den Prozessen von Oury Jalloh und Laye Konde unter:

http://thecaravan.org
http://thevoiceforum.org
http://initiativeouryjalloh.wordpress.com
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Nachtrag:

Es wird einen Bus-Shuttle ab Hamburg geben:
Abfahrt: 6.30 Uhr ZOB (Zentraler Omnibus Bahnhof)

Fahrkarten im Kopierladen Schanzenblitz, Bartelsstr. 21 Hamburg/Schanze oder über Karawane-Hamburg, Brigittenstrasse 5, 20359 Hamburg, Tel: +49-(0)40-43 18 90 37

Dienstag, Dezember 09, 2008

FR zur Normalität rassistischer Polizeigewalt in Deutschland...

...und der Tatsache, dass diese Verbrechen durch die Staatsgewalt weder erfasst werden, noch Folgen für die Täter haben (Hervorhebungen von mir):

Wenn Polizisten zu Tätern werden

VON JÖRG SCHINDLER

Im Februar 2005, einen Monat nach dem Feuertod des Asylbewerbers Oury Jalloh in Polizeigewahrsam, treffen sich in Halle rund 20 Führungskräfte der Polizei zu einer Lagebesprechung. Polizeioberrat Reinhard S. sagt dabei: "Schwarze brennen eben mal länger." Niemand stört sich daran, außer einem Kollegen, der den Vorfall meldet. Der Mann wird anschließend wochenlang gemobbt, bis er entnervt seine Versetzung beantragt. Die Ermittlungen gegen S. werden eingestellt - er kommt mit einem Verweis davon.

[...]

Im April 2007 weigert sich ein Deutscher nigerianischer Herkunft in Freiburg, seine Personalien anzugeben. Ein Polizist hetzt daraufhin seinen Hund auf den Mann, der schwört, die Worte "Friss den Neger!" gehört zu haben. Er kommt mit zwölf Bisswunden ins Krankenhaus. Der Fall sorgt einige Tage für Aufregung. Dann hört man nie wieder davon.

Im Februar 2008 nimmt die Hagener Polizei den Türken Adem Özdamar mit auf die Wache. Keine Stunde später ist er tot. Es gibt etliche Hinweise auf Gewaltanwendung, aber was geschah, wird man nie erfahren. Die beteiligten Polizisten schweigen, die Staatsanwaltschaft stellt ihre Ermittlungen nach wenigen Wochen ein.

Vier Fälle. Alles Ausnahmen. Vor allem deshalb, weil sie bekannt wurden. Das ist nicht normal. "Normal ist, dass Opfer von Polizeigewalt für sich behalten, was ihnen geschah - aus Angst, drangsaliert, abgeschoben oder ihrerseits angezeigt zu werden", sagt Biplab Basu. "So kommt es nämlich fast immer, das ist das klassische Muster."

Biplab Basu arbeitet in der Berliner Opferberatungsstelle "Reach Out". Seit 25 Jahren kümmert er sich um Menschen, die von Polizisten als "Dachpappe", "Brikett" oder "Nigger" verhöhnt werden, die man grundlos abführt, deren Wohnungen ohne Beschluss gestürmt werden oder denen noch Schlimmeres widerfährt. Immerhin 70 Mal, sagt Basu, habe er in den vergangenen vier Jahren Menschen zur Anzeige bewegen können. Zahl der Verurteilungen: keine. Auch das gehört zum klassischen Muster.

Polizisten, die zu Tätern werden: Das ist ein einziges großes Dunkelfeld, auf das nur gelegentlich - bei spektakulären Einzelfällen - ein matter Lichtstrahl fällt. Seit Jahren klagen Organisationen wie Amnesty International, dass Fälle von Polizeiübergriffen in Deutschland nirgendwo erfasst werden, mithin kein Mensch weiß, wie groß das Problem eigentlich ist. Der UN-Ausschuss zur Beseitigung von Rassendiskriminierung äußerte sich wiederholt "besorgt" über rassistische Polizeigewalt in Deutschland. Eine Kommission des Europarats wunderte sich jüngst wieder darüber, dass hierzulande überproportional viele Beschwerden über Polizeigewalt von Ausländern stammen.

Was tut die Regierung? Sie leugnet das Problem. Mitte des Jahres beschied sie der Linksfraktion, die Polizei sei ausreichend gegen rassistische Tendenzen gefeit. Im übrigen stehe jedem "der Rechtsweg zu den Gerichten offen".

Genau das aber halten Praktiker wie Basu für das Problem: In der Regel folge auf jede Anzeige gegen Polizisten sofort eine Gegenanzeige. Und seltsamerweise ist es meist diese, die von den Staatsanwaltschaften vorrangig behandelt wird. Statistiken aus Berlin und Hamburg zeigen: Die wenigen Polizisten, die überhaupt angeklagt werden, müssen im Schnitt in 0,5 Prozent aller Fälle mit einer Verurteilung rechnen. Für das Anti-Diskriminierungsbüro in Berlin ist deshalb klar: "Schläger in Uniform haben so gut wie nichts zu befürchten."

[...] Treffliches Beispiel: Der Fall eines Schwarzafrikaners, der auf einer Hamburger Wache vor Jahren von Freunden und Helfern brutal misshandelt wurde. Es kam zu einem Prozess, in dem die Prügel-Polizisten sogar verurteilt worden. Die legten Widerspruch ein, aber noch vor Abschluss des Falles wurde der Afrikaner abgeschoben - danach erfolgten die Freisprüche.

[...]

Amnesty und andere Initiativen fordern daher schon lange eine unabhängige Kommission, ausgestattet mit der Befugnis, angezeigte Fälle von Polizeigewalt zu untersuchen. In vielen europäischen Ländern - darunter Großbritannien, Irland, Österreich, Schweden und Ungarn - gibt es das bereits. In Deutschland nicht. Hier glaubt die Regierung, eine solche Kommission brächte "keinen Mehrwert".

Lediglich Hamburg bildete vorübergehend eine Ausnahme. Nachdem dort Mitte der 90er Jahre Polizisten aufgeflogen waren, die sich einen Spaß daraus machten, Festgenommene mit Scheinhinrichtungen zu terrorisieren, reagierte der Senat und berief ein unabhängiges Gremium. 2001 musste es seine Arbeit wieder einstellen, der Innensenator wollte es so. Dessen Name: Ronald Schill - bekannt als "Richter Gnadenlos".
Ganzer Text hier: klick

Disziplinarverfahren gegen Dessauer Polizisten

Statement von Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Hövelmann (SPD), der ein Disziplinarverfahren gegen die beiden angeklagten Polizisten angekündigt hat:

“Ich möchte für mich persönlich, aber auch im Namen der gesamten Polizei des Landes Sachsen-Anhalt erneut meine Trauer und meine Beschämung darüber ausdrücken, dass ein Mensch in der Obhut der Polizei einen so schrecklichen Tod gestorben ist.”

Mehr bei blackNRW

Gegen das gestrige Urteil wurde eine Revision angekündigt. Außerdem besteht die Forderung nach einer unabhängigen Kommission, die die Vorgänge untersucht und dafür sorgt, dass die Wahrheit ans Licht kommt.

Am 06.12.2008 wurde der Kurzfilm "Oury Jalloh" ironischerweise mit dem Deutschen Menschenrechtsfilmpreis ausgezeichnet.
Der Filmemacher Simon Jaikiriuma Paetau setze mit «Oury Jalloh» ein Zeichen gegen eine «inhumane Verwaltungsmaschinerie», heißt es in der Begründung der Jury. Auch die alltägliche Ausgrenzung von Flüchtlingen in Deutschland werde in dem halbdokumentarischen Kurzfilm thematisiert, den die Jury in der Kategorie «Amateure» auszeichnete.
Quelle
Dass es mit den Menschenrechten hierzulande nicht immer - und bei allen - weit her ist, haben wir ja leider gestern ebenso erlebt, wie bei dem Freispruch des Arztes, der einen Brechmitteleinsatz durchgeführt und dabei den Tod von Laye-Alama Conde verantwortet hat (mehr hier und hier).

Montag, Dezember 08, 2008

Freispruch für die Verantwortlichen für den qualvollen Tod von Oury Jalloh

Knapp vier Jahre nach dem Feuertod des Asylbewerbers Oury Jalloh in einer Polizeizelle in Dessau-Roßlau in Sachsen-Anhalt sind die beiden angeklagten Polizisten freigesprochen worden.

Ihnen sei keine Mitschuld am Tod des Mannes aus Sierra Leone im Januar 2005 nachzuweisen, urteilte das Landgericht Dessau-Roßlau am Montag. Jalloh war im Alter von 23 Jahren in der Gewahrsamszelle eines Polizeireviers ums Leben gekommen. Er soll die Flammen trotz Fesselung mit einem Feuerzeug selbst entfacht haben. Im Gerichtssaal kam es zu Tumulten.

Die Staatsanwaltschaft hatte eine Geldstrafe von 4800 Euro für den seinerzeit diensthabenden Polizisten gefordert. Der heute 48 Jahre alte Beamte habe sich der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen schuldig gemacht, sagte Oberstaatsanwalt Christian Preissner am Montag in seinem Plädoyer vor dem Landgericht Dessau-Roßlau. Hätte er beim Rauchalarm einen Feuerlöscher mitgenommen, könnte der Asylbewerber möglicherweise noch leben. Für den zweiten angeklagten Polizisten forderte der Oberstaatsanwalt Freispruch aus Mangel an Beweisen.
Ein Statement der Initiative im Gedenken an Oury Jalloh, die neben anderen eine unabhängige Kommission zur Aufklärung dieses sinnlosen Todes fordert, folgt in Kürze.

Sonntag, Dezember 07, 2008

Oury Jalloh-Prozess bleibt bis zum Ende eine Farce

Am 08.12. findet in Dessau nach Urteilsverkündung und Pressekonferenz eine Demonstration statt, zu der verschiedene Schwarze Organisationen und natürlich die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh aufrufen.
Hier die Pressemitteilung zu den letzten unfassbaren Vorgängen im Rahmen dieses Prozesses, in dem das eigentliche Verbrechen, das man im allgemeinen Verständnis sicherlich als Mord bezeichnen würde, nicht zur Debatte stand:
Prozess vor Einstellung?
Das Landgericht Dessau hat das Ende des Hauptverfahrens im Fall Oury Jalloh auf den 8. Dezember festgelegt; die Plädoyers sollten am 02. und 05. Dezember 2008 gehalten werden. Die Verhandlung wurde kurzfristig abgesagt und alle Prozessbeteiligten wurden zu einem Gespräch einbestellt, in dem nach einer Zustimmung zur Einstellung des Prozesses gegen eine Geldauflage nachgefragt wurde.
Die Initiative „In Gedenken an Oury Jalloh“ sieht die Ereignisse der letzten Woche bloß als einen neuen, skandalösen Beleg für die Inkompetenz des Gerichts und dessen arrogante, respektlose Haltung gegenüber der Familie des Opfers.

Berlin, 6. Dezember 2008:
«Zur Vorbereitung des Abschlusses des Verfahrens werde mehr Zeit benötigt, als die Kammer und Verfahrensbeteiligten abgesehen haben», hieß es zur Begründung des kurzfristigen Absage. Das Gericht will den Grund, warum die Verhandlung abgesagt wurde, nicht öffentlich erklären. Sogar die AnwältInnen der Familie wurden zum Stillschweigen angehalten. Warum ist es dem Gericht so wichtig, dass nichts nach Außen getragen wird?

Geld als Lockmittel wird aber nicht reichen, um die Familie von der Forderung nach Wahrheit und Gerechtigkeit in dem Mordfall ihres Sohnes abzulenken. Als Herr Jalloh, der Vater des Opfers, gefragt wurde, ob er das Geld annehmen wolle, antwortete er: „Wenn der Richter mir beweisen wird, dass eine Leiche sich selbst anzünden kann, werde ich sein Angebot annehmen.“ Der Vater und die Initiative sind überzeugt, dass der Tod von Oury Jalloh, ohne eine dritte Hand nicht zu erklären ist. Dazu hat Herr Jalloh auch gesagt, dass von ihm aus der Richter dieses Geld nehmen könne; er will keine blutigen Euros.

Überraschend ist die Verzögerung des Verfahrens nicht. In der Tat steckt der Richter in der Klemme: Angemessen verurteilen will er nicht- und freisprechen kann er auch nicht, ohne dass es großes Aufsehen gibt. Um eine mögliche Revision im Vorfeld zu vermeiden, und um die Akte Oury Jalloh endlich zu schließen, schlägt er nun die Einstellung des Verfahrens vor.
Überraschend ist nur die offene Unverschämtheit, der Familie für den Tod ihres Sohnes einen Geldbetrag anzubieten. Ungewiss ist jetzt nur, ob das Urteil wie geplant am Montag, den 8. Dezember, verkündet wird. Der Richter und AnwältInnen sind möglicherweise der Meinung, dies könnte als Entschädigung EINE unserer Forderungen erfüllen, aber sie irren sich enorm. Denn es ist keine Entschädigung, sondern Schweige-Geld! Und es wird ihnen auch dieses Mal nicht gelingen, uns zum Schweigen zu bringen.

Fast 4 Jahren nach Oury Jallohs bestialischem Tod in Zelle Nr. 5 in Dessau und nach fast 60 Prozesstagen sagen wir weiterhin:

Oury Jalloh – das war Mord!

Und fordern:

BREAK THE SILENCE!!!

WAHRHEIT! GERECHTIGKEIT! ENTSCHÄDIGUNG!

Wir werden den Kampf nicht aufgeben, bis unsere Forderungen erfüllt sind.
Aus diesem Anlass ruft die „Initiative in Gedenken an Oury Jalloh“ alle auf, mit uns gegen rassistische Polizeigewalt und gegen Scheinprozesse, durch die Morde vertuscht werden, zu demonstrieren. Unterstützt unsere Forderung nach einer unabhängigen Kommission, um die Todesursache Oury Jallohs aufzuklären!
Alles Weitere hier: klick

Freitag, November 28, 2008

Nachtrag "Plötzlich Papa" auf Sat.1 - Ein paar Gedanken

Womöglich habe ich mich ein bisschen zu früh gefreut, als ich letzte Woche beim Zappen auf die eine gute Stelle der Serie gestoßen bin (klick), denn leider ist die Serie weit von einem revolutionären (weil fairen und realitätsgetreuen, nicht rassistischen) Ansatz entfernt. Schade eigentlich.
- Subjektivität: haben leider nur die weißen Menschen. Wie der/die anonyme Kommentator/in bei meinem Ursprungspost richtig bemerkt hat, handeln Schwarze Menschen nicht eigenständig. Sie können noch nicht einmal sprechen. Das Baby "Fanny" ist dafür noch zu klein, die Schwarze Mutter ist tot.
- Visibilität: Seltsamerweise gibt es im Berlin Kreuzberg der Serie nur weiße Menschen, zum Großteil blonde (in dem Kreuzberg, in dem ich gerade jetzt sitze, sieht es anders aus). Niemanden of color, nicht mit türkischen, nicht mit asiatischen, erst Recht nicht mit afrikanischen Roots. Alles deutsch-deutsch-biodeutsch-arisch. Das Baby Fanny ist der einzige "Farbklecks" und das scheint auch die einzige Funktion des Kindes zu sein. Die Mutter existiert nur als Foto im Bett des Babies.
- Interaktion: Da of color-Charaktere selbst nicht sprechen können, wird ja natürlich nur stellvertretend für sie geredet. So heißt es im Vorspann ungefähr "es sieht zwar nicht so aus, aber ich bin ihr Vater". Und mit der plötzlichen und überraschenden Ankunft von Fanny ist das Luxusleben des vormals erfolgreichen Aufreißers vorbei, der nun in einer "Gutmenschen-Kanzlei" arbeiten, seinen Porsche aufgeben und die vielen Frauen auch nicht mehr rücksichtslos abschleppen kann. Das Schwarze Baby macht ihn also nach und nach zu einem besseren Menschen - er wird dadurch gerettet, dass er sich um das hilflose, verlassene Schwarze Kind kümmert. Wird im Zusammenhang eigentlich Spendenwerbung für World Vision "Werden auch Sie ein besserer Mensch, werden Sie Pate" gezeigt?

Insgesamt muss man natürlich sagen, dass Sat.1 einen gewaltigen Schritt gemacht hat. Auf diesem Sender liefen vor gar nicht allzu langer Zeit die vor Kolonialscheiß, Rassismus und Menschenverachtung nur so triefenden Folgen von "Wie die Wilden" (siehe derbraunemob unter "So geht's nicht"). Insofern ist es natürlich schon fast phänomenal, dass es dort jetzt Schwarze Menschen ohne Knochen im Haar und Baströckchen gibt. Aber leider noch lange kein Durchbruch.

Samstag, November 22, 2008

Wird selbst die BILD jetzt antirassistisch?

Wie blackNRW heute zeigt, regt man sich bei der BILD plötzlich über N-Worte auf und setzt sich todesmutig dagegen ein.
Hoffnungen darauf, dass sich im Springer-Konzern langsam was tut, können aber - gar nicht so überraschend - getrost enttäuscht werden, wie wir ebenfalls heute im BILDblog sehen können, wo Ausländer-Quoten bei Schulen gefordert werden, damit Deutschland bei PISA besser abschneidet:
Würden nur die Schüler, die deutsche Eltern haben, gemessen werden, schnitten alle Bundesländer im internationalen Bildungsvergleich deutlich besser ab
An der Stelle gestatte ich mir einen Hinweis zu einem BLACKprint-Beitrag aus dem August: klick

Donnerstag, November 20, 2008

"Afrodeutsch" auf Sat.1


Gerade lande ich beim Zappen bei der Serie "Plötzlich Papa" auf Sat.1. Und was sagt der plötzliche Papa über sein Schwarzes Baby? "Afrodeutsch heißt das!" Wow.
Und noch was: Man erzählte mir, dass in der ersten Folge der Serie die verstorbene Mutter des afrodeutschen Kindes die große Liebe des Protagonisten war. Nicht etwa die Geliebte. Und dass sie fließend Deutsch sprach. Und dass es keine idiotische Opfergeschichte darüber gab, warum diese Frau Schwarz und in Deutschland ist und fließend Deutsch spricht.
Hab ich die Revolution verschlafen?

[Übrigens kein Persil-Schein für die Serie, ich hab sie weder selbst komplett verfolgt, noch weiß ich von jemandem, der sie vollständig analysiert hat. Aber immerhin...]

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Nachträgliche Einschätzung vom 28.11.2008: klick

Mittwoch, November 19, 2008

Seltsame Alltagssituation Teil 1: Bin ich Noah Sow?

Da ich gerade in einer Prä-Umzugsphase bin, sprich, keinen eigenen Schreibtisch habe, arbeite ich momentan oft tagsüber in Hamburger Cafés. So auch jetzt gerade, ich sitze im Haus 73 auf dem Schulterblatt und arbeite an einem Buchprojekt.
Obwohl viele Tische frei sind, kommt ein weißer Typ an meinen kleinen Ecktisch und fragt mich, ob da noch frei ist. Ich sage ja, darüber nachdenkend, ob er wohl auch nah an der Heizung oder den Steckdosen sitzen will. Da er ein T-Shirt trägt, nen Pulli dabei hat und keinen Laptop auspackt, muss ich diese Vermutungen allerdings schnell wieder verwerfen. Letztlich war es mir dann aber auch egal, ich hab ja schließlich genug zu tun.
Doch dann packt der junge Mann demonstrativ ein Buch aus und liest so, dass mir der Titel permanent vor die Nase gehalten wird: Deutschland Schwarz Weiß. Der alltägliche Rassismus
Das macht er so lange, dass es kein Zufall sein kann. Und ich frage mich, was er jetzt von mir will. Folgendes fiel mir ein:
  • er denkt, dass ich Noah Sow bin (ist schon mehrmals passiert, auch wenn ich es ziemlich abwegig finde)
  • er denkt, dass ich als Schwarze Frau es total geil finde, dass er das Buch liest (nö) und will entweder von mir gelobt werden, mit mir ins Gespräch kommen oder mich anbaggern.
  • er will mir zeigen, dass ich keine Angst vor ihm haben muss, weil er ein guter Weißer ist?
Nach 30 Minuten fragt er mich nach der Uhrzeit. Ich antworte und arbeite weiter. Ich bin gespannt, wann er damit rausrückt, was er eigentlich will.
Irgend welche Vermutungen seitens der werten BLACKprint-Leser?

Montag, November 17, 2008

Beatrice Achaleke erhält Bundesehrenzeichen


Glücklicherweise gibt es nicht nur schlimme News aus Österreich, sondern auch positive. Der Einsatz von Beatrice Achaleke, die u.a. das Black European Women's Council initiiert hat, erhielt kürzlich das österreichische Bundesehrenzeichen. BLACKprint gratuliert herzlich!

Hier die offizielle Mitteilung:

On Friday 7^th of November 2008 Beatrice Achaleke, executive Director of AFRA and initiator of the Black European Women?s Council, received the Decoration of the Federal Republic of Austria (Öster. Bundesehrenzeichen) 2008 for her honorary intercultural work in the context of the European Year of the Intercultural Dialogue. Along with Barbara Coudenhove-Kalergi, Ceija Stojka and many others Beatrice Achaleke was honoured in the premises of the Austrian National Library in Vienna with the golden Symbol of a waterdrop that is touching the surface and in doing so creating many, many waves. Just like the work she and others are willingly doing every day. In her speech, which Beatrice Achaleke held on behalf of all the honoraries of that day, she pointed out that she is very proud to be decorated in a historic week, referring to Barack Obama?s outstanding victory on the 4^th of November 2008 as the first Afro-American to be elected president of the United States. Beatrice Achaleke hopes that with this major step intercultural engagement and integration gets a boost in the right direction.
In stressing out that she alone was certainly not able to speak sufficiently for all the honoured people she accented the diversity of the ideas, projects and people involved. For her the diversity embodied by the decorated persons is evidence of competences, convictions and the readiness of the persons honored to work together for an Austria that stands for equal chances, Intercultural Dialogue and partizipation.
Hier ein Interview mit Beatrice über ihr Engagement und die Situation Schwarzer Frauen in der EU: afrikanet.info

Samstag, November 15, 2008

US-Proteste gegen rassistische Äußerungen im ORF

Die US-Regierung hat beim öffentlich-rechtlichen österreichischen Fernsehensender ORF gegen rassistische Bemerkungen protestiert, die der frühere USA - Korrespondent des Senders Klaus Emmerich am Tag nach den US-Wahlen (5.11.) in einer Livesendung über Barack Obama gemacht hatte. Emmerich hatte vor ca. 1,2 Millionen Zuschauern erklärt, dass er sich “nicht von einem Schwarzen in der westlichen Welt dirigieren lassen” wolle. Und nannte US-Amerikaner “Rassisten”, denen es “schon sehr schlecht gehen (muss), dass sie so eindrucksvoll (…) einen Schwarzen mit einer schwarzen, sehr gut aussehenden Frau ins Weiße Haus schicken”. Laut Emmerich wäre das ungefähr so, “wie wenn der nächste Bundeskanzler in Österreich ein Türke wäre”.
Ganzer Text bei blackNRW

Berlin: Veranstaltung zu rassistischer Spendenwerbung

Fw:
Mittwoch, 19. November 2008, 18.30 Uhr
HU, Institut für Asien-Afrika-Wissenschaften
Invalidenstraße 118, Raum 315

EZ = EuroZentrismus?!"
Eine Reihe kritischer Auseinandersetzungen mit EntwicklungsZusammenarbeit

Vortrag
White Charity - Strategien und Wirkungen von Spendenwerbung in der EntwicklungsZusammenarbeit.

Werbeplakate für Spenden von Hilfsorganisationen wie Brot für die Welt, Care International, Welthungerhilfe etc. sind im öffentlichen Raum in Deutschland omnipräsent.
Der Vortrag von Timo Kiesel setzt sich mit diesen Plakaten auseinander, die das unsichtbarste Zeichen für Entwicklungszusammenarbeit in der Öffentlichkeit darstellen. Untersucht werden an Hand dieser Strategien und Wirkungen von Spendenwerbung. Obwohl in den letzten Jahren ein Umdenken statt gefunden hat und die Organisationen sich verpflichtet haben, Menschen in ihrer Würde und als Subjekte ihres eigenen Handelns zu zeigen, greifen die Werbeabteilungen der NROs noch immer auf historisch verfestigte Stereotype zurück. Auf diese Wiese werden koloniale und rassistische Denkmuster weiterhin reproduziert. Timo Kiesel verfolgt die darin verwendeten Stereotypen über Schwarze Menschen und People of Color und diskutiert welches weiße Selbstbild hinter der Spendenwerbung und den Plakaten steht.

Die Veranstaltungsreihe richtet sich sowohl an Menschen, die im entwicklungspolitischen Bereich aktiv sind, als auch an eine interessierte Öffentlichkeit. Die Veranstaltungsreihe soll zur
Reflexion und Hinterfragung eigener Bilder, Motivationen und Herangehensweisen beitragen und bietet gleichzeitig Raum für eine Auseinandersetzung mit gängigen und als wahr erachteten Positionen und Informationen der EntwicklungsZusammenarbeit.
In den Sitzungen soll explizit auf die deutsche Kolonialzeit, koloniale Kontinuitäten, die Bedeutung von Weißsein in der EntwicklungsZusammenarbeit, rassistische Spendenwerbungen in der EZ sowie die Fallen und Chancen interkultureller Arbeit eingegangen werden. Zudem wird EntwicklungsZusammenarbeit aus Nord- und Südperspektive diskutiert werden.

Freitag, November 14, 2008

Geht's eigentlich noch? Apartheid als Werbegag


via blackNRW

Blacknowledgement - bell hooks über das Hinsehen

Bin wieder einmal bei Recherchen auf wichtige Zitate gestoßen. Hier eines von bell hooks, die bei BLACKprint schon häufiger aufgetaucht ist (klick, klick):
Für Schwarze gibt es Handlungsspielräume, in denen wir zum einen den Blick des Anderen hinterfragen können. Zum anderen können wir aber auch den Blick erwidern, einander anblicken und das Gesehene benennen. Das "Hinsehen" war und ist weltweit eine Geste des Widerstands für kolonisierte Schwarze. Menschen, die Machtbeziehungen unterworfen sind, lernen durch Erfahrung, daß es ein kritisches Hinsehen gibt, das "sieht", um zu dokumentieren, das oppositionell ist. Im Widerstandskampf liegt die Macht der Beherrschten darin, ihre Handlungsfreiheit zu behaupten, indem sie "Bewußtheit" für sich in Anspruch nehmen und pflegen. Das wiederum politisiert die "Sichtverhältnisse" - wir lernen auf eine bestimmte Art zu sehen, um Widerstand zu leisten.
Aus dem Aufatz "Der oppositionelle Blick: Schwarze Frauen als Zuschauerinnen" in Black Looks: Popkultur - Medien - Rassismus


Donnerstag, November 13, 2008

Oury Jalloh - Es geht weiter

Pressemitteilung von The VOICE Refugee Forum:
Oury Jalloh Prozeß - Plädoyers am 02. und 05. Dezember 2008 in Dessau

Initiative In Gedenken an Oury Jalloh ruft zu einer Demonstration am 8. Dezember in Dessau auf

Scheincharakter des Prozesses wird verdeutlicht
Aktueller Stand Oktober 2008

Am 18. August sprach der Richter Steinhoff wiederholt von "Murphys Gesetz", um die Todesumstände Oury Jallohs zu erklären. Somit hat er seine persönliche Positionierung in Bezug auf das Urteil klar gestellt. Nun wurde am 8. Oktober das wahrscheinliche Ende der Hauptverhandlung festgelegt. Die Plädoyers sollen am 02. und 05. Dezember 2008 gehalten
werden, die Urteilsverkündung ist für den 08. Dezember angesetzt. Mit der Aussage: "Ich habe ein bisschen den frustrierenden Eindruck, wir haben jetzt nur noch das Pflichtprogramm, um den Prozess zu Ende zu führen" stellte Steinhoff ironischerweise am selben Tag genau das fest, was die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh“ seit geraumer Zeit behauptet, nämlich:
Die letzten Prozesstage mit vorherzusehendem Ende sind ein offensichtlichen Scheinprozesses!
Diesen Anlass nehmen wir, um nochmals gegen das systematische Vertuschen rassistischer Polizeigewalt in Deutschland im Allgemeinen und im Fall Oury Jallohs im speziellen vorzugehen.

Deshalb rufen wir auf, mit uns am 2. und 5. Dezember in Dessau vor dem Gericht an einer Kundgebung teilzunehmen und Euch am 8. Dezember für eine große Demonstration zu mobilisieren!

*BREAK THE SILENCE*

* *

*WAHRHEIT! GERECHTIGKEIT! ENTSCHÄDIGUNG!*

Annette Schall 27.06.2008

Ein neues Gutachten im Prozess um den Tod des Flüchtlings Oury Jalloh soll Erkenntnisse über die Fahrlässigkeit eines der Polizeibeamten liefern. Die "Initiative in Gedenken an Oury Jalloh" hat jedoch den Gerichtsaal verlassen

"Vertuschungen und verschwundene Beweismittel"
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/28/28205/1.html

Berlin: 200 Jahre nach offiziellem Ende der europäischen Versklavung

In Berlin finden zwischen 23.11. und 30.11.2008 unter dem Titel "200 Jahre später" eine interdisziplinäre Veranstaltungsreihe (mit Filmen, Vorträgen, Konzerten und Ausstellungen) statt. Details hier: klick

Mehr afrodeutsche Perspektiven zur Obama-Wahl

Zwar ein bisschen spät, aber natürlich besser als gar nicht, hier noch Links zu weiteren afrodeutschen Perspektiven, die nach der Wahl von Obama veröffentlicht wurden:

- Jeannine Kantara bei ZEIT ONLINE: "Schwarze Deutsche - Wir sind Präsident!"
- Washington Post: "Racism Rears Its Head in European Remarks on Obama"
- Brothers Keepers Blog: Statement darüber, was in der Berichterstattung über Obama schiefgeht

Donnerstag, November 06, 2008

"Unser Barack"

Hier der versprochene Text, der heute in der taz erschienen ist:

Ich hätte es kaum zu hoffen gewagt. Bis zum letzten Moment, bis zur ganz offiziellen Verkündung, konnte ich es einfach nicht glauben. Bloß nicht zu früh freuen, die Enttäuschung bei einer Niederlage wäre unerträglich gewesen.

Doch jetzt wird es ihn tatsächlich geben, den ersten Schwarzen US-Präsidenten. In einem Land, in dem Schwarze Menschen lange sogar juristisch nur den Bruchteil des Wertes eines wirklichen, also weißen, Menschen hatten. Genau hier hat es Barack Obama allen gezeigt. Und ich freue mich. Und mit mir, viele andere Schwarze Menschen, die in Deutschland leben. Seit der Wahlnacht halten die euphorischen Freudenbotschaften per E-Mail und Textnachricht mich in Gange. Und ich freue mich besonders, weil diese Nachrichten auch von denen kommen, die sich normalerweise nicht mit Politik beschäftigen.

Warum freuen wir uns so? Was bewegt uns so? Wo es doch nicht um unser Land geht? Sondern um ein Land, auf das man von Deutschland aus immer gern den Finger zeigt, wenn es um das Thema Rassismus geht. Genau dort wird ein Schwarzer Mann von der noch immer mehrheitlich weißen Bevölkerung in das höchste politische Amt gewählt. Wo will Deutschland denn jetzt noch hinzeigen? Werden die deutsche Bevölkerung, die Politik und die Medien jetzt vielleicht tatsächlich mal nach innen sehen müssen?

Denn hierzulande ist etwas Ähnliches schwer vorstellbar. Obwohl seit Jahrhunderten Schwarze Menschen in Deutschland leben, Familien gründen, studieren, ihre Spuren in Wissenschaft, Kunst und Kultur hinterlassen, wehren wir als uns täglich gegen die Bilder, die in den Medien von uns gezeigt werden. Wehren wir uns dagegen, dass Schwarze Kinder fast ausschließlich mit destruktiven Identifikationsfiguren aufwachsen, weil nur die in den deutschen Medien, wie auch in Kinder- und Schulbüchern, zu sehen sind.

Als Barack Obama als Präsidentschaftskandidat nach Berlin kam, pilgerten Afrodeutsche aus dem gesamten Bundesgebiet in die Hauptstadt. Eltern Schwarzer Kinder nahmen ihren Nachwuchs mit, damit sie Teil eines historischen Ereignisses werden konnten. Damit sie mit eigenen Augen sehen konnten, dass es für sie Optionen gibt. Dass es eine Wirklichkeit gibt, die sie in Deutschland meist nicht zu sehen bekommen. Für viele ein ermutigendes Erlebnis.

In Deutschland fehlen diese Erlebnisse. Seit über 20 Jahren kämpfen Afrodeutsche auf verschiedenen Ebenen für eine realistische, faire Öffentlichkeit, für eine Repräsentanz abseits der sexualisierten und kriminalisierten Klischees. Doch noch immer sehen wir die gleichen Bilder, sind unsere Vorbilder Rapper, Sportler und Witzfiguren.

Auch, wenn wir die Entertainer lieben und uns über erfolgreiche Sportler freuen, können wir uns nur schmerzerfüllt ansehen, wie Athleten hierzulande Zielscheibe von rassistischen Sprechchören, Pöbeleien und Angriffen werden. Wir hören Affenlaute und sehen Bananen auf Spielfelder fliegen. Wir sehen nicht, was wir unseren Kindern als Erfolgsmodelle zeigen können, um sie stark und erfolgreich zu machen. Eher weitere Zeichen dafür, dass sich die Mühe gar nicht lohnt, dass sie in ihrer eigenen deutschen Heimat nie als Menschen behandelt werden, egal, wie gut sie sind.

In Deutschland sind Schwarze Deutsche kaum politisch repräsentiert - wir sind nämlich in weiten Teilen keine "Migranten", müssen weder Sprache lernen noch uns integrieren - und fallen damit aus dem Rahmen der Gruppen, für die "Beauftragte" in Frage kommen. Auch, wenn wir tagtäglich spüren müssen, dass man uns für "anders" hält, wird gleichzeitig so getan, als würde unser Schwarzsein gar keine Rolle spielen. Und wir bleiben mit unseren Belangen im Allgemeinen unsichtbar.

Dass in den USA demnächst das höchste politische Amt von einem Afroamerikaner bekleidet wird, ist ein Zeichen dafür, dass Veränderung möglich ist. Dass es Sinn macht, zu kämpfen. Für Teilhabe, Repräsentanz und Respekt. So lässt es sich leicht erklären, warum im August auf dem jährlichen Bundestreffen der Initiative für Schwarze Menschen in Deutschland das T-Shirt mit dem Aufdruck "Yes, we can!" ein echtes Highlight war. Irgendetwas lag in der Luft, das sich nach Aufbruch, nach Errungenschaft, nach neuen Möglichkeiten anfühlte. Etwas, das uns sagte, wenn es dort geht, dann vielleicht auch hier! Die Zuversicht der Obama-Kampagne hat auch uns angesteckt.

Wir sind ausgehungert nach Bildern von Schwarzen Menschen, an denen wir uns orientieren können. Die uns Möglichkeiten eröffnen, Wege aufzeigen, die trotz aller Widerstände gegangen werden können. Die wir unseren Kindern zeigen können, damit sie zuversichtlich in ihre Zukunft blicken. Wir brauchen Visionen. Auch aus anderen Teilen der Welt. Durch die Wahl Obamas ist eine fest verschlossen geglaubte Tür plötzlich geöffnet. Und viele weitere werden folgen. Yes, we can! Yes, we will!

VICTORIA B. ROBINSON


Mittwoch, November 05, 2008

Yes, we can!

Ich hatte ja kaum zu hoffen gewagt, dass es tatsächlich passiert. Und nun ist es doch so gekommen: Barack Obama wird der 44. US-Präsident!!



Später ein längerer Post, erstmal feiern (u.a. Geburtstag) und arbeiten...

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NACHTRAG:

Der längere Post kommt morgen in Form eines Gast-Kommentars, den ich zum Thema für die taz verfasst habe.

Dienstag, Oktober 28, 2008

Hamburger Clubbetreiber halten sich weiterhin nicht für rassistisch

Wie die taz heute berichtet, gab es einen Runden Tisch mit zehn Betreibern und Kommunalpolitikern. Das Ergebnis? Die Clubbetreiber halten sich weiterhin für nicht rassistisch und es gibt eine nebulöse Warnung an die, die es vielleicht doch sind. Weil sich Diskriminierte demnächst (wann denn eigentlich?) bei der zu gründenden "Arbeitsstelle Vielfalt" (wer soll da eigentlich sitzen?) melden und einzelne Diskriminierer dadurch bekannt werden können. Klingt wahnsinnig vielversprechend...
Nach dem zweistündigen Gespräch mit insgesamt zehn St.Pauli Clubbetreibern hinter verschlossenen Türen hielten sich Senator und Bezirksleiter weitgehend bedeckt. Einzig betonten sie, es gebe seitens der Clubbetreiber eine völlig unterschiedliche Wahrnehmung der Situation. Steffen sagte, die Betreiber hätten glaubhaft deutlich gemacht, mitnichten potentielle Gäste zu diskriminieren. Er betonte, es würde auch zukünftig einen konstruktiven Dialog mit den Clubbetreibern geben, diese sollten mit ihren Türstehern über mögliche Verbesserungen und Transparenz in der Türpolitik sprechen. Weiterhin werde ie von der Justizbehörde geplante "Arbeitsstelle Vielfalt" Beschwerden der Opfer von Diskriminerung sammeln. Der Leiter des Bezirksamtes, Markus Schreiber, erklärte, man könne so feststellen, ob bestimmte Clubs auffällig würden. Schließlich müsse man der Devise folgen "Wer rassistisch handelt, der betreibt sein Gewerbe unrechtmäßig. Und wer sein Gewerbe nicht rechtmäßig betreibt, dem kann die Lizenz entzogen werden."

Sonntag, Oktober 26, 2008

Reminder: Soli-Konzert mit Papierlosen am 29.10. in Berlin


Wie hier gebloggt, findet am 29.10. in Berlin ein Konzert mit dem Motto "Free Afro Hesse" statt, das als Solidaritäts-Aktion mit allen Papierlosen geplant ist.

Heute berichtet Spiegel Online über den Fall von Afro Hesse, dessen Abschiebung vorerst abgesagt ist:
Afro Hesses Abschiebung wäre ein "katastrophales Zeichen", hätte die Integrationsbemühungen in Kreuzberg um Jahre zurückgeworfen, glaubt der Politiker. "Die türkischen Kinder, die sogenannten Problemkids, engagieren sich seit Wochen für Afro Hesse. Er ist ihr Vorbild." Er macht eine Eingabe beim zuständigen Petitionsausschuss des Hessischen Landtags und hat Erfolg: Die Abschiebung wird abgesagt.

Afro Hesse darf nun erst einmal bleiben, hat eine vorläufige Duldung, bis der Petitionsausschuss im hessischen Landtag über ihn beraten wird. Wann das sein werde, stehe noch nicht fest, sagt der Ausschussvorsitzende Andreas Jürgens von Bündnis 90/Die Grünen. "Wir warten auf die Stellungnahme des Innenministeriums." Dort will man sich "wegen des laufenden Verfahrens" nicht äußern. 

Der Rapper lebt nun wieder bei seinen Eltern in Darmstadt. Doch das Misstrauen bei ihm bleibt: Was machen die Behörden? Was wird mit mir? 

Mittwoch, Oktober 15, 2008

Süddeutsche über die primitiven Dummy-Macher

Jonathan Fischer hat sich in der Süddeutschen Zeitung mit dem unsäglichen Dummy-Heft mit dem Titel "Schwarze" befasst. Hier ein kleiner Ausschnitt:
Offensichtlich meint Gehrs, gegen ein Monster namens political correctness ankämpfen zu müssen - ohne sich wirklich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Oder zu reflektieren, wie eine solche Auseinandersetzung fruchtbar sein könnte - etwa auf inhaltlicher Ebene, anstatt mit einem mehr oder minder missverständlichen und beleidigenden Titel. Rassismus wirkt nicht weniger verletzend, wenn der Autor sich selbst für einen Linken hält. [...]

Schlimmer noch: Kein roter Faden leitet jenseits der Hautpigmentierung - es wird mal von "Farbigen", mal von "Mulatten" gesprochen - durch das Heft. So fragt man sich, was "die besten Fick-Soul-Nummern" mit schwarzer Kultur zu tun haben. Und warum es die vier Seiten über den Sarotti-Mohren versäumen, jenseits einer Firmengeschichte auch die implizite historische Entwicklung des Rassismus in Deutschland aufzugreifen.

Was Dummy dafür umso eindringlicher belegt: Dass die Vergötzung der Provokation per se zu einer Orientierungslosigkeit führen kann, die Mittel und Ziel nicht mehr unterscheidet. Dass es auch angeblich Linken bisweilen gut steht, die eigene Definitionsmacht zu hinterfragen. Und dass der Wunsch, privat oder gar in Massenauflage ein Wort wie "Neger" zu äußern - Chris Rock führt das vor - bestenfalls den Narzissmus des Autors entlarvt.
Danke an KA für den Hinweis

Sonntag, Oktober 12, 2008

Video passend zum Fall des rassistischen Polizei-Direktors...

...Georg Kessler, der trotz oder wegen seiner rassistischen Einstellungen innerhalb des Polizei-Apparates fortwährend gefördert worden zu sein scheint (klick und klick):


In diesem Fall wurden erfolgreiche Staatsschützer zur Verkehrs-Polizei versetzt, obwohl oder weil sie sich ernsthaft gegen Rechtsextremismus einsetzen. 
Interessante Systematik...

Montag, Oktober 06, 2008

Asyl-Beamter zeugt Kind mit Asyl-Bewerberin und will sie dann abschieden

Die ekelerregende Darstellung der Vorgänge bei SPIEGEL Online.
Kurze Zusammenfassung: Eine Frau aus dem Kongo sucht per Kontaktanzeige nach einem Mann. Ein Beamter aus der Hamburger Behörde für Migration und Flüchtlinge (außerdem CDU-Politiker in Hamburg-Altona) meldet sich, trifft sich mehrmals mit der Frau, zeugt mit ihr ein Kind. Schließlich will er von Frau und Kind nichts mehr wissen, leugnet Kontakt, Vaterschaft und will die Mutter mitsamt seines eigenen Kindes abschieben lassen:
[Er] legte dem Richter gar den Schluss nahe, Rachel L. sei samt Tochter nach Kongo abzuschieben.

Zwar handelte sich der Christdemokrat dafür beim BAMF ein Disziplinarverfahren ein, seinem Ansehen hat das jedoch offenbar nicht geschadet. Seit sein verbotener Griff ins Asylaktenregal aufgeflogen ist, bemüht sich die Behördenleitung, den Fall totzuschweigen.

Dienstag, September 30, 2008

Rostocker Nazi-Hools dürfen unbehelligt schalten und walten

Aus einem Artikel aus Die Welt über das letzte Spiel des FC St. Pauli gegen Hansa Rostock:
Bereits während des Spiels war bei Ballkontakten des Franzosen aus dem „Suptras"-Block Affengebrüll zu vernehmen. Zudem wurde Sako nach dem Abpfiff, als sich die Hamburger Spieler bei ihren 2000 mitgereisten Fans für die Unterstützung bedanken wollten, erneut rassistisch beschimpft. „Sie haben Affengeräusche gemacht und mit Bierbechern geschmissen. Ich hatte das Gefühl, dass viele im Stadion nicht wegen des Fußballs gekommen sind", sagte Sako.

[...] Kurz darauf wurde Boll von einem Feuerzeug am Kopf getroffen. „Das geht gar nicht, dass man mit Feuerzeugen beworfen wird. Dabei sollte es doch der weltweite Fair-Play-Tag der Fifa sein", sagte Boll.

[...] Zudem stellt der FC St. Pauli die Frage, warum die Sicherheit der Hamburger Zuschauer bei der Ankunft in Rostock nicht gewährleistet war und warum der Ordnungsdienst sich davon machte, als Hansa-Hooligans zum Sturm auf den Gästeblock ansetzten. Auch der Mannschaftsbus konnte erst nach mehr als zwei Stunden das Stadionareal verlassen.
Interessant ist die Aussage von "Augenzeuge", der den Artikel folgendermaßen kommentiert hat:
Nicht nur die Angriffe der Nazihools und ihrer Rostocker Sympathisanten sind zu verurteilen. Auch dass in Wechselgesängen von tausenden von Rostockern homophobe, rassistische Gesänge angestimmt wurden, ist zu verurteilen. Nach sechs einhalb Jahren hat sich in Rostock nichts verändert. Es gilt immer noch - wer schweigt stimmt zu. Zivilcourage der doch so unpolitischen Rostocker ist nicht fest zu stellen. Ihr duldet diesen Mob, unterstützt ihn mit menschenfeindlichen Gesängen und erleichtert hier durch auch die körperlichen Angriffe.
Grüße aus Belfast!

Samstag, September 27, 2008

Berlin: Solidarität mit Papierlosen

Pressemitteilung:

Rapper Afro Hesse von Abschiebung bedroht - Solidaritätskonzert im Oktober

Wir sind Künstler und Einzelpersonen aus Berlin. Als Zeichen der Unterstützung für Afro Hesse und für alle Papierlosen in Deutschland veranstalten wir am 29.10.2008 ein Solidaritätskonzert. Unter dem Motto "Free Afro Hesse" stehen im SO36 ab 18:00 Uhr u.a. Deso Dogg, MC Bogy, Tarek & Massimo sowie Mike Fiction auf der Bühne. Wir fordern die sofortige Feilassung von Afro Hesse. Wir wollen damit ein Zeichen des Protestes gegen die rassistische deutsche Ausländerpolitik setzen. Kein Mensch ist illegal!

Seit dem 2. August 2008 sass der Darmstädter Rapper Afro Hesse in Berliner Untersuchungshaft. Festgenommen wurde er, wegen eines kleineren Delikts, das im Normalfall überschaubare Konsequenzen gehabt hätte. Desweiteren wurde er vom Gericht in allen Vorwürfen freigesprochen. Für Hesse bedeutet der Freispruch jedoch keineswegs die Freilassung: Denn er besitzt keinen deutschen Pass und muss nun in seiner Zelle auf die Abschiebung warten.
Der aus Algerien stammende Musiker floh mit seiner Familie als Kind vor dem Bürger-krieg nach Deutschland und besuchte in Darmstadt die Schule. Nachdem er 13 Jahre mit seiner Familie in Deutschland gelebt hatte, wurde seine Aufenthaltserlaubnis nicht verlängert, sein Pass eingezogen und seine Abschiebung angekündigt, in ein Land, zu dem er schon lange keinen Bezug mehr hat. Mehrere Asylanträge wurden von der Darmstädter Ausländerbehörde abgelehnt, woraufhin er keine andere Alternative mehr sah, als unterzutauchen. Es folgten vier Jahre illegalisierten Aufenthalts in Deutschland, in denen sich Afro Hesse trotz aller Schwierigkeiten weiter der Musik widmete und zwei Alben veröffentlichte.
"Mehr als Musik" und "Der verschollene Immigrant" setzen sich intensiv mit dem Leben als Papierloser in Deutschland auseinander und auch diverse Fernseh- und Zei-tungsbeiträge beschäftigten sich mit der Situation des ?verschollenen Immigranten?. Ohne festen Wohnsitz, Krankenversicherung, die Möglichkeit einer Anstellung und somit finan-zieller Sicherheit, teilt er das Schicksal von bis zu 1,5 Millionen Menschen in Deutschland, die von der Bürokratie als "illegal" bezeichnet werden und ohne Papiere schutz- und rechtlos sind.

Die Einnahmen des Solikonzerts fließen ausschließlich in die Unterstützung von unserem Freund Afro Hesse fließen. Alle Künstler treten ohne Gage auf. Die durch das aktuelle Verfahren und die drohende Abschiebung entstehenden Kosten gehen in die Tausende.

Freund_innenkreis Afro Hesse

Spendenkonto:
Rote Hilfe Berlin, Stichwort Afro Hesse,
Berliner Bank, BLZ 100 200 00
Kontonummer: 71895 90 600,
BIC: BEBEDEBB,
IBAN: DE78 1002 0000 71895 90 600.

Mehr Informationen:
www.36kingz.com
www.afro-hesse.de

Afro Hesse "Sans Papier"
http://de.youtube.com/watch?v=aHZxFOhlYUM

Polylux-Beitrag über Afro Hesse:
http://www.polylog.tv/monolux/videocast/12745/

Donnerstag, September 25, 2008

"Wir scheißen auf jeden Protest!" / Dummy-Magazin für ganz Dumme

...das scheinen sich die beratungsresistenten Macher des Magazins "Dummy" zu denken und sich sogar noch darüber zu amüsieren.
Wie hier zu lesen ist, wurde schon im Juni darüber diskutiert, ob eine Ausgabe des Magazins mit dem N-Wort betiteln werden dürfe. Daraus wurden dann "Kaffeebraun" (nicht minder kolonialrassistisch) und nun haben wir das Ergebnis. Das Heft heißt "Schwarz", setzt aber inhaltlich da an, wo die Macher mit dem N-Wort aufgehört haben.

Schon in der Übersicht auf der Website gibt es eine illustre Sammlung von rassistischen Begriffen, Konzepten, von Klischees, Stereotypen und totaaaal lustigen Sprüchen.

Ich möchte kotzen! Falls ihr auch wollt, seht's euch an. Den Link stell ich hier nicht rein, weil nicht ein Klick von mir zu denen kommen soll (der dann für die bedeutet, dass ihr lustig provokantes Konzept voll aufgeht...)
Hat jemand konstruktive Ideen?

Erreichen kann man die Macher hier:
DUMMY Verlag GbR
Jochen Förster & Oliver Gehrs
Max-Beer-Straße 33
10119 Berlin

Tel: +49 (0)30 24 72 38 14
Fax: +49 (0)30 24 72 39 43
E-Mail: redaktion@dummy-magazin.de

Dienstag, September 23, 2008

10 Jahre Karawane - Kulturfest in Weimar & Jena

FW von The VOICE Refugee Forum
4. Oktober 2008
Mensa Philosophenweg, Jena
Einlass 19:30

Konzert und andere Kulturbeiträge
mit Jericho Walls, Reggae aus Dortmund.
Engin Celik aus Hamburg
und Percussion Performance aus Halberstadt

Der Name Jericho Walls leitet sich von dem in der Bibel erwähnten Fall von
Jericho ab, bei dem der Klang der Trompeten die Stadtmauern zum Einsturz gebracht haben soll.

Außer dem damaligen Drummer Hector Morton (welcher bereits bei UB40, Dawn
Pen, D Flame und anderen bekannten Reggae Künstlern spielte), welcher die
Band aber schon nach einem Jahr verließ, besteht die Band bis heute aus
folgenden Mitgliedern: Mirko am Bass, Alex an den Drums, Markus an den
Tasten, Roman an der Gitarre und den Sängern Jah Sala und Alex, alias Mad
Turkey. Durch Mad Turkey entwickelte sich der immer noch währende Modern
Roots Dancehall- Sound der Band, welcher den bekannten Sänger Rasta Pacey
animierte gemeinsame Konzerte mit den Jericho- Walls zu spielen. Die
Musiker bauten sich innerhalb der letzten 2 Jahre gemeinsam ein Studio in
Dortmund, welches sie evtl. auch zukünftig an andere Künstler vermieten
werden. Die neue CD der Band trägt den Titel: "Nice and Slim"

Im Sommer 1993 kamen die ersten Überlegungen durch ein paar Dortmunder
Jungs auf, gemeinsam eine Reggae Band zu gründen. Damit war der Grundstein
der heutigen Jericho- Walls gelegt.
www.myspace.com/jerichos
www.jericho-walls.com
www.myspace.com/jerichoproduction

#####
Film:

Nigerianischer Nollywood – Film: “Asylum – Psychiatrie”

Nigerianischer Nollywood – Film: “Asylum – Psychiatrie” Okt in in Weimar
ist Teil eines Programms in Weimar und Jena zum 10. Jahrestag der Karawane
für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen, das von 2. bis 5. Oktober
stattfinden wird.
* * * *

03.Oktober 2008
Ort: Mon Ami, Goetheplatz, Weimar
19:30: Nigerianischer Nollywood – Film: “Asylum – Psychiatrie”
http://www.youtube.com/watch?v=bTYVJ3Y3HPc&feature=related

„Eine Regierung in Nigeria beschließt geistig Verrückte in ihrer
politischen Agenda mit einzubeziehen. Der Direktor einer Psychiatrie
wittert die Chance noch mehr Finanzen zu ergattern. So schickt er seine
Männer raus, die Verrückten auf der Straße aufzusammeln. Sie erwischen
einen arbeitslosen Mann. Angekommen in der Psychiatrie versucht er zu
beweisen, dass er nicht verrückt ist. Je mehr er sich anstrengt, desto
mehr halten sie ihn für verrückt. Drin entdeckt er, dass da seltsame
Verschwörungen hinter den Insassen im Gange sind…“ AUS EINEM INTERVIEW Mit
Herren OBI EMELONYE

Asylum – produziert durch Azubuike Erinugha,

http://thevoiceforum.org/node/918
http://thecaravan.org/node/1626

Montag, September 22, 2008

Heute ist der Tag: Neues Standardwerk erschienen!


Seit heute ist nun (endlich) das neueste Buch von Grada Kilomba erhältlich: Plantation Memories Es wurde auf Englisch veröffentlicht, behandelt aber den deutschen Kontext und all die Situationen, die sich wie in einer Endlos-Schleife immer und immer wiederholen. Die Extra-Mühe beim Englisch-Lesen wird sich sicherlich lohnen! Hier der Klappentext:
„Plantation Memories is a compilation of episodes exploring everyday racism.

Linking postcolonial theory and lyrical narrative, the book provides a new and inspiring interpretation of everyday racism in the form of short stories.

From the question "Where do you come from?" to the N-word to Hair Politics, the book is essential for anyone interested in Black studies, postcolonialism, critical whiteness, gender studies and psychoanalysis"

(Unrast-Verlag, September 2008)
Hier gibt's das Inhaltsverzeichnis: klick

Und hier die Beschreibung auf Deutsch, von der Amazon-Seite:
Plantation Memories erforscht Alltagsrassismus in Form einer Sammlung von Geschichten. Es begreift Rassismus als psychologische Realität. Grada Kilomba zufolge wird Alltagsrassismus als gewaltsamer Schock erlebt, der die Menschen plötzlich in eine koloniale Situation rückt und sie dabei ihrer Verbindung mit der Gesellschaft entreißt. Völlig unerwartet trifft Vergangenheit auf Gegenwart, und die Gegenwart wird erlebt, als wäre sie die furchtbare Vergangenheit, auf die der Titel des Buches verweist. Indem sie postkoloniale Theorie, Psychoanalyse und poetisches Erzählen miteinander verbindet, ermöglicht Kilomba eine neue und inspirierende Interpretation von Alltagsrassismus, Erinnerung, Trauma und Dekolonisierung in der Form von Kurzgeschichten. Das Buch widmet sich einer Reihe von Themen von der Frage »Woher kommst du?« über das N-Wort bis zur politischen Bedeutung des Haars.

Polizei-Direktor schon seit Jahren als Rassist bekannt

Georg Kessler, über den ich schon hier gepostet habe, war auch in der Vergangenheit nicht gerade unauffällig. Die Mopo schreibt:
Auch rassistische Sprüche seien keine Seltenheit gewesen. "Die Beschwerden gegen den Herrn liefen mehrere Monate lang." Sogar das Innenministerium, dem die Bundespolizei untersteht, wurde eingeschaltet. Und auch mehrere Politiker. Trotzdem wurde der Beamte kurz darauf befördert.
Nachdem Georg K. als Dozent an der Bundespolizei-Akademie in Lübeck gearbeitet hatte, kam er nach Hamburg - und wurde zu einem der ranghöchsten Bundespolizisten der Stadt. Doch wie konnte der Mann bei diesen schweren Vorwürfen eine solch steile Karriere hinlegen? Polizeidirektion mit gerade mal 42 Jahren - das ist ungewöhnlich. "Er hatte in Saarbrücken mehrere Freunde in Führungspositionen, die ihn geschützt haben. Mit denen war er früher zur Schule gegangen", berichtet der ehemalige Kollege.
Bin ich verwundert? Nein. Eher froh darüber, dass weiße Loyalität und der rassistische Konsens sich einmal mehr so deutlich aufzeigen lassen.

Donnerstag, September 18, 2008

Nichts Neues, aber plötzlich öffentlich: Rassistische Polizei

Nachdem vor Kurzem der ehemalige Hamburger Richter Ronald Schill als Rassist geoutet wurde (klick), tauchen nun bei einem Polizei-Direktor sehr ähnliche Vorwürfe auf: klick, klick
Was interessant ist, ist dass der betreffende Georg Kessler nicht etwa suspendiert, sondern an eine Akademie versetzt worden ist, wo er seine menschenverachtenden Überzeugungen auch noch dem Polizei-Nachwuchs verklickern kann. Die Folgen von solchen Menschen in entscheidenden Positionen erleben People of Color permanent in ihrem deutschen Alltag. Dass der Sprecher der Bundespolizei behauptet, die Vorwürfe würden sehr ernst genommen, klingt da nicht sehr überzeugend. Er weist auch darauf hin, dass
"spezielle Schulungen "zur Steigerung der interkulturellen Kompetenz" [gebe]. Dort sollen die Beamten einen sensiblen Umgang mit fremden Kulturen lernen."
(Quelle)
Dass es bei Schwarzen Menschen nicht automatisch um "fremde Kulturen" gehen muss, scheint ihm nicht aufzufallen. Dass jedes Jahr Menschen sterben oder traumatisiert überleben, weil die "speziellen Schulungen" nicht greifen, wohl auch nicht. Wo fängt man da nur an?
Vielleicht bei der in diesem Post zitierten Überzeugung, es gebe bundesweit bei der Polizei kein Problem mit Rechtsextremismus (klick). Mit Rassismus (und Sexismus) gibt es das auf jeden Fall...

Donnerstag, September 11, 2008

Text "Shockingly happy"

Anlässlich des offiziellen Launchings des Black European Women's Councils in Brüssel erschien das Buch "Voices of Black European Women 1", das ab Oktober über folgende Website erhältlich ist: klick
Ich habe mich mit folgendem Text an der Veröffentlichung beteiligt, den ich BLACKprint-Lesern natürlich nicht vorenthalten möchte:

Shockingly happy

A few days ago I shocked a Black female friend. Not intentionally. I simply told her something that apparently was as clear to me as it was suspicious to her: that I wanted and intended to be happy. Happy while living in Germany, I should add. She reacted in a way that suggested this idea was unheard of and seemed quite naïve. She said that yes, some of us might be successful here, but who managed to be happy? She asked whether I could think of even only one Black person who was not only struggling or completely suppressing their problems in Germany. I did not come up with anyone in that moment, but maintained my position: it was and is my goal not only to make my contribution for a better world, but to have fun, joy and love along the way and to take care of my physical and emotional well-being.

Other fellow activists I have met seem to be consciously choosing a life of suffering. I have heard people say “we can have fun as soon as Africa is free” or “Black people in Germany don't have anything to smile about” and have been criticized for conducting some community meetings at (Black owned) restaurants which have then been called
“petty-bourgeois masquerade”. Some say, that they are not negative, but realistic, but even if that were true: what good would it do to be unhappy, would it enable you to change anything for the better?

While I acknowledge (and in many cases know) all the obstacles, the pain, the injustice that we as Black people are confronted with, I am convinced that we need to find sources of happiness in order to survive. And I believe that we all need spaces of comfort and that we should make it as easy as possible for new members to join us. bell hooks considers “choosing 'wellness' (...) an act of political resistance”1 since we, as Black people in white societies, are not supposed to lead happy lives. This is a very radical standpoint. It goes against set structures and also might lead more and more people into choosing to fight the powers, as its representatives are not looking and feeling miserable, but represent a different version of political life, one that is fully attractive.

In my own experience, those activists who stood out, were not those with grim faces and dead eyes, they were individuals who radiated light and had a contagious sense of humor. And I decided that I wanted to be one of those who stay positive. On my activist journey I had so many downfalls, so many situations where I desperately needed that source of happiness, the feeling that makes it all worthwhile, that I can get over the challenge and smile a real smile. And every time I find and make use of these sources, I know that I can go another step.

Many Black people in Europe are struggling. While the majority of the German sample of a 2007 empirical Study of Black European Identities2 has reported good physical health (70% no or slight problems, another 22% moderate problems), it was almost the other way around in the question of psychological well-being: only 38% reported no or only slight problems, about 38 % report moderate problems and about one quarter of the sample reports quite a lot of, or extremely frequent problems.

I know how discouraging it is for even the strongest of us, to hear that another member of our community has been brutalized by authorities, that another child has been devalued at school, that another person has experienced injustice in the labor market, while looking for an apartment or in their interpersonal and romantic relationships. Not only the personal experience of racism is demoralising, hearing about them from those who experience it, often serves the purpose of “putting us in our place”.

That I am very aware of the statistics, have experienced my share of violence and aggression, is why my Black female friend was so surprised by my statement. She was sure that I knew too much to be able to bear it. But becoming and remaining an activist for me is deeply linked with working on these traumatic experiences and striving for a realisation of happiness. I learned I had to confront my traumatic memories and experiences to get to a point where I could look for constructive solutions. And, yes, to be happy, as this is the only way for me to be effective in all my endeavors. To succeed in motivating and convincing people, to not swallow my words, but speak up and make my point.

Coming together with great energetic Black women who have chosen to resist, to have an impact, is not only a tremendous basis for political participation, it is also – and at times even more so – a source of empowerment on a very deep level. Healing powers become active. I was really pleased with the Vienna Declaration we issued together, especially Recommendation Number 3: “The Black European Women Congress recognizes mental health as a primary issue pertaining to Black communities dealing with racism. Government must provide financial and structural means to allow the establishment of autonomous institutions that provide mental health care for Black people dealing with the effects of racism.”
I am satisfied with the fact that we neither ignored, nor denied the psychological needs that arise by the situation we and our families are living in. That we acknowledged not being super-heroes not affected by anything.

Being part of the Black European Women's Council makes me not only proud, but also more confident to remain in the struggle against gendered racism and its destructive effects, and also to hold on to the conscious decision of being happy while doing so. Audre Lorde has let us know: “There is no such thing as a single-issue struggle because we do not live single-issue lives. (...) We are not perfect, but we are stronger and wiser than the sum of our errors. Black people have been here before us and survived. (...) To learn from their mistakes is not to lessen our debt to them, nor to the hard work of becoming ourselves, and effective.”3

So I'm learning from my predecessors and closing with a few words from the dedication of “Talking Home”, an anthology of women of color in Germany, which have kept me going many times:
“the road is so very long
but never mind
we are already walking”4

Victoria B. Robinson is trying to be shockingly happy in Germany as a writer, poet and activist. She has an M.A. in American Studies and Public Law from the University of Hamburg. She is a member of the Initiative for Black people in Germany, the Black Community Hamburg, a Black mediawatch organisation and an Advisory Board Member of the Black Women in Europe Social Media Group. She has also been blogging about issues affecting Black people for two years (http://BLACK-print.blogspot.com).

1hooks, bell, Sisters of the Yam: black women and self-recovery. Boston, MA: South End Press 1993, p. 14.
2http://www.best.uni-mainz.de/dokumente/DocumentationBlackGerman.pdf, p.16.
3 Lorde, Audre. „The Audre Lorde Compendium. Essays, Speeches and Journals“. London: Pandora, 1996. Sister Outsider, p.185.
4Popoola, Olumide/Sezen, Belden (eds.). Talking Home – Heimat aus unserer eigenen Feder. Frauen of Color in Deutschland. Amsterdam, blue moon press, 1999.

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Dienstag, September 09, 2008

Hamburger Clubbetreiber sind nicht rassistisch...

..."sie beugen nur bestimmten Problemfällen vor", sagt der Bezirksamtsleiter von Hamburg-Mitte Markus Schreiber, wenn es um die Abweisung von "Ausländern" bei Kiez-Clubs geht. Schon logisch. Wahrscheinlich handelt es sich nicht um Rassismus, sondern um Ausländisch-Aussehenden-Feindlichkeit. Aber wenn ich Menschen nach inländisch und ausländisch aussehend einteile, wäre das nicht Rassismus? Hm, das wäre ja ne ganz bahnbrechende Idee. Vielleicht diskutiere ich die demnächst mal mit meinem Kaffeekränzchen...

Hier Ausschnitte aus dem Artikel aus dem Abendblatt:
Ein Praxistest des Abendblatts hatte ergeben, dass ein Sohn iranischer Eltern und ein an der Elfenbeinküste geborener Jugendlicher in acht von neun Klubs auf der Reeperbahn von den Türstehern abgewiesen worden waren. Wenige Tage zuvor hatte der Jurist Awol Allo aus Äthiopien ähnliches in Hamburg erlebt und schwere Vorwürfe erhoben.
[...]

Sollten die Klubbetreiber "keine Einsicht" zeigen und weiter ohne Begründung ausländische Jugendliche ablehnen, will sich Schreiber als letztes Mittel einen Konzessionsentzug vorbehalten. Außerdem habe er bereits mit dem Verbraucherschutzamt gesprochen, "um zu sehen, welche Möglichkeiten wir haben".
[...]

Den Betroffenen rät er, sich gegen die Diskriminierung zu wehren. Es gebe auch aus anderen Bereichen - etwa bei Wohnungsvermietungen - praktische Beispiele, wo Ausländer benachteiligt würden. "Wir müssen die Betroffenen stärken", so Steffen. Dies will er unter anderem mit der "Arbeitsstelle Vielfalt" erreichen, die in der Justizbehörde eingerichtet werden und noch in diesem Jahr ihre Arbeit aufnehmen soll. Neben einem Netzwerk von Beratungsangeboten für Menschen, die diskriminiert werden, soll in Zusammenarbeit mit dem Integrationsbeirat auch die Vielfalt in der Stadt gefördert werden. "Wir müssen aus konkreten Diskriminierungsfällen lernen und konstruktiv damit umgehen", so Steffen.

Montag, September 08, 2008

Protest gegen die Verwendung des "Rasse"-Begriffs in Gesetzen

Schon im Entstehungsprozess des AGG protestierten viele Personen und Organisationen (u.a. auch Vertreter der Initiative für Schwarze Menschen in Deutschland) gegen die Verwendung des Begriffes "Rasse", der ja als biologische Gegebenheit bei Menschen schon lange widerlegt und als Konstrukt enttarnt ist. Nun empfiehlt auch das Deutsche Institut für Menschenrechte, Formulierungen wie "Rasse" und "rassische Zugehörigkeit" aus Grundgesetz und AGG zu streichen.

Hier der Volltext der Pressemitteilung:
Berlin. Das Deutsche Institut für Menschenrechte empfiehlt den Parlamenten und Regierungen auf Bundes- und Landesebene, in Zukunft auf die Verwendung des Begriffs "Rasse" zu verzichten. Dies soll bereits bestehende Bemühungen im Kampf gegen Rassismus unterstützen. Die Empfehlung beinhaltet eine Änderung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes und des deutschen Grundgesetzes.

Der Begriff "Rasse" ist historisch extrem belastet und enthält rassistische Implikationen. Theorien und gedankliche Konstrukte, die Menschen in unterschiedliche "Rassen" einteilen, waren und sind schon immer rassistisch. Sie schreiben Menschen pauschal bestimmte Eigenschaften zu und gipfeln in der Annahme höher- und minderwertiger "Rassen". Dennoch wird bis heute in rechtlichen Bestimmungen, die eigentlich der Bekämpfung rassistischer Diskriminierung dienen, der Ausdruck "Rasse" verwendet. In einigen anderen europäischen Ländern ist es bereits üblich, in Gesetzestexten von dem Begriff Abstand zu nehmen. In Deutschland ist dieser Schritt längst überfällig.

Das Deutsche Institut für Menschenrechte spricht sich daher dafür aus, den Terminus "Rasse" nicht länger in Gesetzestexten, Verordnungen oder Erlassen zu benutzen. Vor allem das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz sollte geändert werden, so dass der Begriff nicht mehr im Gesetz steht. Der Schutz vor rassistischen Diskriminierungen darf dadurch nicht eingeengt werden. Artikel 3 des Grundgesetzes, der fundamentale Gleichheitsgrundsatz des deutschen Verfassungsrechts, sollte ebenfalls dahingehend geändert werden, dass der Begriff nicht mehr verwendet wird. Zudem sollte sich Deutschland gegen einen weiteren Gebrauch des Ausdrucks "Rasse" in internationalen Dokumenten einsetzen.
pdf des zugehörigen Policy Papers: klick

Zwischenstand

Nur zur Info: Bei BLACKprint gibt's keine Sommerpause und auch keine Einstellungsabsichten - ganz im Gegenteil! Ich sammle fleißig Themen und Fundstücke und lege Ende dieser Woche - pünktlich zum zweiten Geburtstag!!! - wieder richtig los.
In der Zwischenzeit bin ich in Brüssel zum offiziellen Launch des Black European Women's Councils und mit damit zusammenhängenden Aktivitäten schwer beschäftigt. Alles wird aufgedeckt, wenn ich zurück bin, versprochen!

Donnerstag, August 28, 2008

Quote of the Day - Vorbilder

Each of us, famous or infamous, is a role model for somebody, and if we aren't,
we should behave as though we are: cheerful, kind, loving, courteous. Because
you can be sure someone is watching and taking deliberate and diligent notes.
Maya Angelou

Heimlich, still und leise...

...wurde das Schimmelmann-Schandmal vor Kurzem abgebaut. Nachdem die Bezirksversammlung endlich beschlossen hat, das hässliche Teil zu entfernen, hat sich jetzt plötzlich auch die Imtech GmbH als Eigentümerin zu Wort gemeldet und die Leihgabe an den Bezirk Wandsbek zurückgenommen. Grund war angeblich der "Aufruhr, den es im Bezirk wegen der Skulptur gegeben hatte" (Quelle). Warum dieser "Aufruhr" die Imtech in den letzten zwei Jahren nicht gestört hat und die Firma jetzt kurz vor der Entfernung durch den Bezirk eingreift, bleibt natürlich ein Rätsel. afrika-hamburg sagt dazu:
"Sollte die mit obrigkeitlichem Gestus erfolgte Installation der Büste einen Sklavenhändler zur imageträchtigen Heimatfigur stilisieren, so sollte die klammheimliche Demontage nun offenbar eine angemessene Dokumentation dieses merkwürdigen Vorgangs verhindern. Forcierte Mythisierung und Verdrängung liegen nahe beieinander."
So bleibt auf der einen Seite Freude darüber, dass dieses Schandmal endlich entfernt ist und unsere Proteste etwas bewirkt haben, andererseits hinterlässt dieser Vorgang einen sehr faden Beigeschmack.

Und im Bezirk Wandsbek? Da hat man ganz große Sorgen:
"Sie befürchtet jedoch, dass die Diskussion über die Kolonialgeschichte nun abreiße. "Wenn der Anstoß fehlt, wird vielleicht gar nicht mehr darüber geredet." Eine Umbenennung der Straßen, die nach Schimmelmann benannt sind, sei nicht geplant."(Quelle)
Diese Sorgen sind allerdings nicht begründet, schließlich gibt es in Hamburg so viele Spuren von Kolonialismus, dass es leider noch sehr lange sehr viele Anstöße dazu geben wird, Rassismus und Kolonialismus zu thematisieren. Traurig, aber wahr...

Donnerstag, August 21, 2008

Verstärkt positive Nachrichten...

...hatte ich mir eigentlich vorgenommen, aber leider kam mir (mal wieder) Spiegel Online dazwischen...

Den Artikel gibt es hier, die Überschrift ist eine rassistische Frechheit, die leider im Text nicht thematisiert wird. Hier der Ausschnitt aus dem Bericht, auf den sich die Überschrift bezieht:
Sozialdemokrat Krüger, Potsdam-West ist sein Ortsverein, sann auf Abhilfe. Vor der Stadtführung fuhr er den Generalkonsul nach dessen Erinnerung an: "Wir brauchen einen Neger, der den Rollstuhl schiebt." Heute, so Krüger zum SPIEGEL, mag er "nicht ausschließen, dass ich das gesagt habe. Wenn die so ein famoses Gerät angeschleppt hatten, dann sollten sie wenigstens mit anfassen".
Dass man hier Schwarzer Mensch und Diener gleichsetzt, fällt dem Autor gar nicht auf. Dass mit der Überschrift Menschen beleidigt werden, nimmt man dann auch gerne in Kauf.

So geht mein Plan leider nicht auf...

Trotzdem vielen Dank an N.N. für den Hinweis!

Dienstag, August 19, 2008

2 Jahre Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

Aus der Pressemitteilung des Antidiskriminierungsverbands Deutschland:
Berlin, 18. August 2008

Nach 2 Jahren Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz zieht der Antidiskriminierungsverband Deutschland (advd) ein verhaltenes Resumee. Wenngleich das AGG langsam in die gesamtgesellschaftlichen Strukturen Einzug gefunden hat, wurden viele Chancen verpaßt - meist auf Kosten von Betroffenen.
(...)
Zwei Jahre nach Inkrafttreten des AGG hält der Antidiskriminierungsverband Deutschland (advd) immer noch an seiner Kritik fest: Der Betroffenenschutz kommt zu kurz!

Der advd begrüßt, dass die Ergebnisse der von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes eingerichteten wissenschaftlichen Kommission nun endlich mit dem Mythos der Millardenbelastung für die Wirtschaft aufräumen. Doch mit Sorge beobachtet der advd auch, dass trotz der im letzten Jahr aufgezeigten Mängel des Gesetzes und den von der EU-Kommission eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland, der Gesetzgeber an einem unzureichenden Diskriminierungsschutz festhält.

Der advd kritisiert auch, dass weder die Bundesregierung noch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes bisher der europarechtlichen Verpflichtung nachgekommen ist, Betroffene ausreichend über ihre Rechte zu informieren. So kennt ein Großteil der Ratsuchenden das AGG und seine konkreten Rechtsschutzmöglichkeiten nicht.

"Es ist daher an der Zeit, eine breit angelegte, bundesweite Informationskampagne zu starten, die potentiell von Diskriminierung Betroffene über ihre Rechte aufklärt, aber auch die Bürger und Bürgerinnen für Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung sensibilisiert." so Banu Bambal, Vorstand im advd.
Ganzer Text: klick

Mit Dank an Fabulamedia für den Hinweis

Dienstag, August 05, 2008

Rassistische Türpolitik - Interview

Im Anschluss an das erste Urteil zu rassistischen Einlasspraxen in Diskotheken (BLACKprint hat berichtet: klick) gibt es jetzt ein aktuelles Interview mit dem Kläger. Ausschnitt:
Yango: Ich hoffe einfach, dass sich die Leute künftig mehr Gedanken machen. Wir haben ein Exempel statuiert. Es ging uns nicht um das Recht, jeden Tag in eine Disco gehen zu können - sondern darum, dass auch kleine Vorfälle berücksichtigt werden müssen. Es ist eine echte Belastung, wenn man sich jeden Tag diskriminiert fühlen muss.

(...)

SPIEGEL ONLINE: Im Gerichtsverfahren wurden Ihnen ein Vergleich und 1000 Euro angeboten. Warum sind Sie nicht darauf eingegangen?

Yango: Mir ging es nicht um die Entschädigung, sondern um Gerechtigkeit. Darum haben wir den Vergleich abgelehnt, zumal der Discobetreiber seine Schuld nicht eingestehen wollte. Wir wollten eine deutliche Entscheidung und ein Grundsatzurteil. Das Geld werde ich für die antirassistische Arbeit spenden.

(...)

SPIEGEL ONLINE: Bisher haben Sie immer darauf bestanden, anonym zu bleiben - aus Angst vor Bedrohungen?

Yango: Ich fürchte mich überhaupt nicht, aber die Diskriminierung von Ausländern ist ein allgemeines Problem. Wenn ich mit dem Namen hier stehe, sieht es aus, als ob es nur mein eigenes Problem wäre. So ist es nicht, viele haben dieses Problem. Darum spielt mein Name eigentlich keine Rolle. Aber schreiben Sie ruhig, dass ich Achu Yango heiße.

Volles Interview: klick

Samstag, August 02, 2008

Blacknowledgment: Grada Kilomba, pt. 1

Während ich gerade an einem Artikel arbeite und alte Notizen durchgehe, fallen mir immer wieder Zitate in die Hände, die ich mal für meine Magisterarbeit herausgesucht habe und die zu relevant sind, um in meinen Ordnern zu verstauben.
Daher werde ich nun von Zeit zu Zeit ein paar Zeilen aus wisschenschaftlichen Beiträgen hier veröffentlichen.

Als erstes kamen mir Worte von Grada Kilomba unter, deren neues Buch ich sehnsüchtig erwarte: Plantation Memories
Hier ein paar Ausschnitte aus dem Beitrag "Die Kolonisierung des Selbst - der Platz des Schwarzen" aus Spricht die Subalterne deutsch?: Migration und postkoloniale Kritik:
Nicht wissen zu wollen, was Rassismus denen bedeutet, die ihn erfahren haben, ist eine Weise, eine andere "Wahrheit" zu erfinden, in der die Schwarze Perspektive nicht existent ist. Nicht zu wissen oder das Wissen gar nicht für nötig zu halten, bezeichnet Paul Mecheril als ein doppeltes Ignoranzkonstrukt, d.h. gleichzeitig zu "ignorieren und ignorant zu sein".

Zwei Texte von Grada Kilomba findet ihr hier:
"Wo kommst du her?"
"Don't you call me N*! - Das N-Wort, Trauma und Rassismus"

Freitag, August 01, 2008

Protest gegen platt rassistischen Werbespot

via derbraunemob blog

Bitte wendet euren Protest zahlreich an die im Folgendem aufgeführten Personen/Stellen:

Hier ist der Spot von ATU (auf TV-Spot klicken)

Hier der Brief von der braune mob e.V. mediawatch an ATU, zum Download

Wer mit dieser Werbung nicht einverstanden ist, sollte dies auch kundtun, damit die Unternehmen nicht denken, sie handelten im Namen aller potentiellen KundInnen.

Verantwortliche bei der Werbeagentur Heye & Partner:
Markus Goetze: Geschäftsführer Beratung
Jan Okusluk: Creative Director
Martin Winter: Management Supervisor

Der Clip stammt von Heye / München
Linrupstraße 16
80335 München
Tel.: +49 89 665321900
Fax: +49 89 665321910
info@heye.de

Verantwortliche bei A.T.U Auto-Teile-Unger Handels GmbH & Co. KG sind:

Dr. Dietmar Geppert: Leiter Marketing und Direkt Sales
Hueseyin Dereli: Leiter Kommunikation
Ulla Kraus: Leiter Kommunikation
Ralf Schalkhaußer: Leiter Media

Tel.: +49 800 50 35 470
Fax: +49 961 – 306 5929
Beschwerdemanagement@cc.atu.eu

Kontakt zum Regisseur:
Tel. +49-(0)40- 43 21 61 12
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