Mittwoch, August 29, 2007

Der SPIEGEL kann's auch realistisch

Nach der vielen Kritik muss ich Spiegel Online heute einmal loben. Unter der Überschrift "Mügeln als Symptom: Im Land der Wirklichkeitsverweigerer" setzt man sich tatsächlich einmal kritisch u.a. damit auseinander, dass man in Deutschland stets bemüht ist, Rassismus zu ignorieren oder kleinzureden, anstatt sich tatsächlich damit auseinanderzusetzen. Hier einige Auszüge aus dem Artikel:

Daraus Sympathien für die Täter abzuleiten, wäre verkehrt. Es ist schlimmer: Die immer wieder gleichen Reaktionen zeugen vor allem davon, wie gründlich in Deutschland die Wirklichkeit vernichtet wurde - zugunsten einer virtuellen Realität, die darauf basiert, dass man sich auf sie verständigt hat.

Wie das passieren konnte, ist relativ einfach zu erklären. Da waren erst einmal zwei Diktaturen, die aufeinander folgten. Dort, wo der Übergang von der einen zu der anderen fließend stattgefunden hat, sind die Folgen besonders krass und anschaulich. Einer Volksgemeinschaft, der man einen Völkermord als "Endlösung" irgendeiner Frage verkaufen konnte, konnte man auch den Bau einer Grenzanlage, die dazu bestimmt war, die eigene Bevölkerung einzusperren, als "antifaschistischen Schutzwall" auftischen, der Angreifer und Agenten abhalten sollte.

(...)

War zu Kaisers Zeiten "Ruhe die erste Bürgerpflicht", so sehen es heute Politiker und Berichterstatter als ihre Pflicht an, zu große Unruhe zu vermeiden. Deswegen ist von "mutmaßlichen Terroristen" die Rede, wenn irgendwo ein vollbesetzter Bus in die Luft fliegt - theoretisch könnte ja auch ein geplatzter Reifen an dem Unglück schuld sein -, deswegen wird sauber zwischen "kriminellen" und "politisch motivierten" Gewalttaten unterschieden, wenn Menschen entführt und ermordet werden.

(...)

Nationalsozialismus, konzeptionell gesehen

Unter solchen Umständen muss man schon froh sein, dass dem rechtskräftig verurteilten Kindermörder Magnus Gäfgen die Erlaubnis verweigert wurde, eine Stiftung zugunsten missbrauchter Kinder zu gründen. Er hat es ja "gut gemeint", und wer es gut meint, der kann schon mal übers Ziel hinausschießen. Eine erschreckend große Anzahl von Deutschen ist davon überzeugt, dass der Nationalsozialismus eine gute Idee war, die nur schlecht ausgeführt wurde, im Fall der DDR ist diese Zahl noch größer.

So kommt die Wirklichkeit unter die Räder des Wunschdenkens. Dabei wird nicht nur die Vergangenheit aufgehübscht, sondern auch die Zukunft rosa eingefärbt.

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Mügeln mag geografisch in der Etappe liegen, mental aber liegt es im Zentrum des Zeitgeistes, auf gleicher Augenhöhe mit dem Rest der Republik. Die Abschaffung der Wirklichkeit ist keine Frage des Standortes. Zumindest in dieser Beziehung gibt es am Standort Deutschland schon lange weder ein Nord-Süd- noch ein Ost-West-Gefälle.

Montag, August 27, 2007

Forderungskatalog für faire UNICEF-Werbung

via derbraunemob

Liebe Freunde,

Wir sind uns einig: Die UNICEF Kampagne “Schulen für Afrika”, in der weiße Kinder mit Schmutz/Make-Up/Schuhcreme beschmiert wurden, um “Kinder in Afrika” darzustellen, hätte nicht passieren dürfen. Was tut UNICEF nun im einzelnen, um dies wieder gut zu machen?

Wir haben einen Forderungskatalog erstellt, der der Öffentlichkeit demonstrieren kann, dass es nicht das “Recht” deutscher Organisationen ist, Menschen nach Belieben auch herabsetzend darzustellen. Auch können zukünftige ähnliche Fehltritte vermieden werden, wenn unseren Forderungen nachgekommen wird.

Um diesem Anliegen Gehör zu verschaffen, haben wir eine Pressemeldung veröffentlicht, und diese Forderungen an UNICEF geschickt.

Sie können diese Forderungen unterstützen indem Sie an UNICEF schreiben und das Kommittee der United nations (”it’s your world”), denen UNICEF untersteht.

schulen@unicef.de,

information@unicefusa.org

3rdcommittee@un.org

Dafür können Sie gerne unseren Brief verwenden. Bitte senden Sie freundlicherweise eine Kopie an info@derbraunemob.de damit wir einen Überblick über den Umfang der Proteste bekommen.

(diese Erklärung finden Sie in englischer Sprache auf der Seite)

Mit freundlichen Grüßen,

info@
derbraunemob.de

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Frau Heide Simonis, Alexandra-Friederike Prinzessin zu Schoenaich-Carolath, und UNICEF-Mitarbeiter,

In der UNICEF Kampagne “Schulen für Afrika” wurden Weiße Kinder mit Schmutz/Make-Up/Schuhcreme beschmiert, um “Kinder in Afrika” darzustellen. Sicher sind Sie mit uns einer Meinung, dass dies nicht hätte passieren dürfen. Auch UNICEF-MitarbeiterInnen, zahlreiche Bürgerrechts-Organisationen sowie protestierende Zivilpersonen aus vielen Ländern haben dies erkannt und ihrem Protest bereits Ausdruck verliehen.

Da aus einem Antwortbrief von UNICEF Deutschland leider ersichtlich ist, dass dort in der Tat noch nicht eingesehen wird, weshalb diese Kampagne die Würde sehr vieler Menschen verletzt, ist die Situation weiterhin unbefriedigend: die Anzeigen waren ganzseitig in Tageszeitungen veröffentlicht worden, und damit wurden pauschale Klischees sowie rassistische Bilder der deutschen Öffentlichkeit als akzeptabel und humanitär präsentiert.

Was tut UNICEF nun im einzelnen, um dies wieder gut zu machen?

Da UNICEF eine Organisation der UN ist, hat der “Fall” durchaus politische Tragweite: in wieweit darf eine UN-Organisation Menschen herabwürdigen und als unterlegen/irrelevant betrachten und behandeln, ohne dass dies Folgen für die Organisation selbst hat? Zahlreiche Menschen haben protestiert.

Wir fordern daher

- die Schaltung von Anzeigen in Größe und Umfang der original-Anzeigen, in denselben Zeitungen (Gegendarstellung), die darüber informieren, dass die vermittelten Bilder falsch und schädlich waren, im Wortlaut wie unten

- ein edukatives Treffen der Vorsitzenden der UNICEF-Diversity Abteilungen zumindest der USA und England mit den für diese Kampagne Verantwortlichen deutschen UNICEF-MitarbeiterInnen

- das künftige INSTITUTIONELLE Einbeziehen von ausgebildeten Diversity- und Antidiskriminierungs-Sachverständigen sowie VertreterInnen derjenigen Gruppe, der geholfen/gespendet werden soll, in alle Werbekampagnen von UNICEF Deutschland

- Nachricht darüber, wann und wie unseren Forderungen nachgegangen wurde.

Da Sie ja ausschließlich humanitäre Ziele haben, sind Sie mit uns sicher einer Meinung, dass eine solches Handeln durchweg positiv betrachtet werden wird, und dem erreichen Ihrer Ziele -gleichen Chancen für ALLE Kinder- förderlich ist.

Mit freundlichen Grüßen,

Vorstand der braune mob e.V.
media-watch - schwarze deutsche in medien und öffentlichkeit
i.A.
Noah Sow
Jean-Alexander Ntivyihabwa
Patricia Eckermann

Cc:

Division for Social Policy and Development
Department of Economic and Social Affairs,
United Nations, DC2-1320,
New York, NY 10017, USA
Fax: 1 212 963 3062

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Textvorschlag für die geforderte Gegendarstellung:

öffentliche Entschuldigung

UNICEF Deutschland veröffentlichte kürzlich eine Anzeigenkampagne namens “Schulen für Afrika”. Das Ziel dieser Kampagne war es, darauf aufmerksam zu machen, dass es in einigen afrikanischen Ländern leider noch immer Kinder gibt, die keinen Zugang zu elementarer Schulbildung haben.

Trotz unserer aufrichtig guten Absichten, auf die Notlage dieser Kinder aufmerksam zu machen, war unsere Kampagne falsch konzipiert, da sie verschiedene schädigende und negative Klischeevorstellungen bestätigte, die wir von Afrika haben.

In einer Reihe von vier Bildern wurde jeweils ein Weißes deutsches Kind abgebildet, dessen Gesicht braun beschmiert war, neben Statements, die pauschale Verallgemeinerungen über die fehlende Bildung “afrikanischer” Kinder transportierten.

Durch nachträgliche Einsicht erkennen wir heute, dass es eine schwere Fehlentscheidung war, die Gesichter der Kinder anzumalen um “Afrikaner” darzustellen. Schwarz zu sein ist weder “schmutzig” noch sollte es mit “Make-Up” verglichen werden.

Wir entschuldigen uns vorbehaltlos für den herabsetzenden Charakter dieser Kampagne.

Donnerstag, August 23, 2007

Fußball: Endlich mal Konsequenzen für rassistische Beleidigungen

Es scheint sich langsam mal die nötige Ernsthaftigkeit einzustellen, wenn es um die rassistischen Beleidigungen von Spielern geht. Laut Spiegel Online wurde Weidenfeller für seine an Asamoah gerichteten Sprüche für drei Spiele gesperrt und muss €10.000 Strafe zahlen. Auch, wenn es - für mich nicht gerade nachvollziehbare - Entlastungsgründe gab, die einen Punktabzug für seine Mannschaft verhinderten, ist das endlich mal ein deutliches Zeichen dafür, dass so ein menschenverachtender Dreck zumindest in der 1. Bundesliga nicht mehr weiter geduldet und ignoriert wird.

Es bleibt zu hoffen, dass demnächst auch gegen Fans bzw. deren Mannschaften eingeschritten wird, die rassistische und antisemitische Äußerungen für eine geeignete Unterstützung ihrer Teams halten.

Mittwoch, August 22, 2007

Unbewusster Rassismus

Nachdem ich vor einer Weile das Buch Blink! Die Macht des Moments gelesen hatte, in dem es um unbewusste Entscheidungen geht, die wir Menschen aufgrund unserer Prägung beinahe automatisch treffen, habe ich mich mehrmals an Tests bei Project Implicit der Harvard University beteiligt. So habe ich z.B. herausgefunden, ob ich Japan oder die USA bevorzuge, Bill oder Hillary Clinton besser finde oder zu Pro-Choice oder Pro-Life tendiere. Nun geriet ich an einen Test, bei dem es um die Verbindung von Schwarzen und weißen Menschen mit positiven und negativen Konzepten ging. Wie mein Ergebnis war, verrate ich jetzt mal nicht, aber hier Screenshots der für mich relativ schockierenden grafischen Zusammenfassung der Gesamtergebnisse:






Dienstag, August 21, 2007

Quote of the Day!

“If you are neutral in situations of injustice, you have chosen the side of the oppressor. If an elephant has its foot on the tail of a mouse and you say that you are neutral, the mouse will not appreciate your neutrality.

Bishop Desmond Tutu, Spiritual Leader and Novelist

Quelle

Freitag, August 17, 2007

Kann mir jemand die Kampagne erklären?!


Dies ist das Motiv einer Kampagne für die Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften. Nun versteh ich nicht:
  • Warum ist auf dem Plakat ein Hetero-Paar (bzw. zwei Menschen unterschiedlichen Geschlechts)?
  • Warum ist davor ein Schwarzes Mädchen - und in dieser seltsamen Pose mit Finger im Mund?!
  • Welche Assoziationen sollen mit dem Zusammenspiel von 2 weißen "Eltern", einem Schwarzen Kind und dem roten Wort "ABGELEHNT" hervorgerufen werden?
Ist da draußen jemand schlauer als ich???

Donnerstag, August 16, 2007

Film über "Jena 6"

weitere Infos und eine Petition in meinem Post vom 20.07.


Freitag, August 10, 2007

Schimmelmann-News: Farbanschlag



Ein weiteres Mal wurde die Büste von Schimmelmann symbolisch mit dem Blut seiner Opfer in Verbindung gebracht (=Unbekannte haben die Büste mit roter Lackfarbe übergossen).



"Vermutlich in der Nacht von Samstag 4.8. auf Sonntag 5.8.2007 ist der schwarzbronzene Kopf des Sklavenhändlers Heinrich Carl Schimmelmann (1724-1782) wieder mit roter Lackfarbe übergossen worden. Die Büste, die vom damaligen Bezirksamtsleiter Gerhard Fuchs neu in Auftrag gegeben war, wurde im September 2006 im Puvogelgarten errichtet. Zahlreiche Proteste begleiten das Denkmal bis heute. Im November 2006 wurde es Ziel eines ersten Farbanschlags. Die Forderung, das Abbild des Menschenschinders aus dem öffentlichen Raum zu entfernen, scheiterte bisher am Votum der regierenden CDU in der Bezirksversammlung Wandsbek."
Bilder (und Zitat) mit freundlicher Genehmigung von Wandsbektransformance, Fotos by Jokinen

Donnerstag, August 02, 2007

taz über Rassismus und Sexismus im deutschen Rap-Game

Ausschnitte eines Artikels von Murat Güngör, der heute in der taz erschienen ist - N-Worte wurden natürlich von mir entfernt:
Ganz verliebt ins Ghetto-Klischee

(...)

Ice-T wusste: Es ist vor allem der weiße, pubertäre Junge aus kleinbürgerlichen bis bürgerlichen Verhältnissen, der ihn in die Charts bringt. Diese Logik herrscht auch in Deutschland. Entscheidend für den kommerziellen Erfolg der Gangsta-Rapper ist der Blick der bürgerlichen Mitte auf das Ghetto. Es ist die Faszination, aus der sicheren Distanz heraus den Kampf im Dschungel der Straße zu konsumieren und damit gleichzeitig gegenüber dem eigenen Elternhaus rebellieren zu können. Gangsta-Rap dient dabei als pubertäre Vorlage zur Provokation gegen die bürgerlichen Normvorstellungen der Eltern. Um als Gangsta-Rapper sichtbar zu werden, müssen Stereotype wie "kriminelle Vergangenheit", "Omnipotenz" und "Gewalt" aufgerufen werden. Diese ästhetischen Codes sind aber häufig rassistisch und sexistisch gefärbt.

(...)

Das hauptstädtische Hiphop-Label Aggro Berlin hat sich auf die Vermarktung dieses Stereotyps spezialisiert. Die hauseigenen Rapper des Labels werden präzise auf die Marktlogik zugeschnitten. Rassistische, nationalistische und sexistische Images dienen dem Label beim Produktaufbau. In der Rap-Szene wird dies als gelungener Marketingcoup gewürdigt. Doch was als vermeintlicher Tabubruch daherkommt, ist nichts anderes als die Reproduktion rückständiger und reaktionärer Bilder über das vermeintliche Migranten-Ghetto. Die Rapper sind dabei Täter und zugleich Opfer dieser Bilder: Ihren Erfolg verdanken sie der Wirkungsmacht rassistischer Stereotype über den krassen Jungen aus dem Ghetto. Allerdings sind sie auch nur vor diesem Hintergrund denkbar.

(...)

Exemplarisch lässt sich diese Entwicklung in Deutschland an den beiden Rappern B-Tight und Massiv verdeutlichen. B-Tight, der eine afrodeutsche Herkunft aufweist, wird von seinem Label Aggro Berlin als krasser "N****" und großer Ficker vermarktet. Seine Ästhetik erinnert dabei stark an die Minstrel-Shows aus den Zeiten der Rassentrennung in den USA: Damals malte sich der weiße Komiker Thomas D. Rice schwarz an, um einem weißen Publikum den "N****" als fröhlichen, singenden und dummen Sklaven vorzuführen. Diese Shows waren erfolgreich, und auch Schwarze spielten diese demütigenden Figuren nach, um Geld zu verdienen. Nun malt sich B-Tight auf seinen Plattencovern schwarz an, um seine Inszenierung als notgeiler, sexbesessener und fröhlicher Partyrocker zu unterstreichen. B-Tight bedient das rassistische Klischee vom Schwarzen, der nur seinem Trieb folgt und mit einem extragroßen Schwanz ausgestattet ist.

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Beide Rapper brechen keine Tabus, sondern bedienen vielmehr eine rassistische Wahrnehmung, in der schon im Voraus festgelegt ist, wie der "N****" oder der "Kanake" zu sein hat. Es sind rückständige Bilder, die ungebrochen in die Unterhaltungsindustrie eingespeist werden. Die Frage ist nur: Was macht dies mit dem pubertären Jungen aus der Mittelschicht, der sie konsumiert? Untersuchungen hierzu fehlen. Es darf aber vermutet werden, dass rassistische und sexistische Stereotype dadurch verfestigt werden.

(...)