Dienstag, April 03, 2007

"JFK in Schwarz": Was weiße Redakteure über Obama sagen

Da hat leider mal wieder jemand einen Artikel veröffentlicht, der eine - durch Mainstream-Theorie gefütterte - Positionierung nutzt, um die Situation von Afro-Amerikanern zu beurteilen, zu bewerten und etwas absurd und unreflektiert in Zusammenhang zu bringen. Ein Politik-Studium reicht da nicht unbedingt, wenn man seine eigene Perspektive nicht hinterfragt. Und dann kommen solche Passagen zustande:
"Und Afroamerikaner konnten besonders grausam mit ihresgleichen umgehen. Nur ein Beispiel aus längst überwunden geglaubten Zeiten: Hollywood, Oscar-Verleihung, 1940. Hattie McDaniel erhielt die erste afroamerikanische Trophäe in der Kategorie "beste Nebendarstellerin". Sie spielte das resolute Hausmädchen Mammy im Bürgerkriegsepos "Vom Winde verweht". Eine tragische Geschichte: Nicht nur, dass McDaniel an der Premiere des Films nicht teilnehmen durfte, weil sie schwarz war, nein, auch von Teilen der Bürgerrechtsbewegungen wurde sie bis zu ihrem Tod 1952 angefeindet. Der Vorwurf: Verherrlichung der Sklaverei."
Was es mit der Darstellung von Schwarzen bzw. der Versklavung in diesem Film auf sich hatte, wie durch die Rolle einmal mehr das Stereotyp der "Mammy" tradiert wurde, darum geht es Thilo Knott nicht. Auch nicht darum, dass es der Community in ihrer Kritik möglicherweise nicht um die Darstellerin als Person ging, sondern darum, in welchen eingeschränkten Bereichen es Schwarzen Menschen möglich war (und ist) in einer rassistischen, weißen Mehrheitsgesellschaft erfolgreich zu werden. Wir alle haben die Wahl, das Spiel mitzuspielen, um dann für unsere Performanz der Vorurteile "belohnt" zu werden, oder dafür zu kämpfen, als Individuen wahrgenommen zu werden - und als Menschen noch dazu! Dies ist eine Frage, mit der sich in Deutschland zum Beispiel der Verein "Schwarze Filmschaffende in Deutschland" beschäftigt.
Doch Thilo Knott hat noch mehr Weißheiten auf Lager, so zum Beispiel Folgendes über einen Muhammad Ali-Kampf:
"Ali wollte Patterson demoralisieren - und schrie ihn während des Kampfes immer und immer wieder an: "Komm schon, weißer Amerikaner!" Ali war sozusagen der erste Rapper auf dem Weg der Emanzipation der Schwarzen."
Aha, weil er seinen Gegner als weißen Amerikaner beschimpft hat, ist er ein Rapper. Interessanter Zusammenhang bzw. ein interessantes Verständnis von HipHop. Wenn ich also "blöder weißer Autor!" schreie, bin ich schon zur Rapperin geworden. Und ich dachte immer, da gehöre ein bisschen mehr dazu...

Der folgende Absatz zeigt dann das gesamte Ausmaß seiner Ignoranz: Er bemüht sich, den von Malcolm X oft verwendeten "House vs. Field Negroe"-Vergleich ins Spiel zu bringen und schafft es noch nicht mal, die in seinem Kopf präsenten N-Worte korrekt zu schreiben (deshalb ausnahmsweise mal ausgeschrieben):
"Vielleicht schuf dieser Weltmeisterschaftkampf die Gegenüberstellung, die auch heute, selbst in der Obama-Kontroverse, noch nachwirkt: unangepasster (schwarzer) "Niggar" gegen angepassten (weißen) "Niggar". Auch heute noch? Gut 40 Jahre später? Klar, sollte man meinen, diese Antipoden afroamerikanischen Bewusstseins seien überwunden. Keineswegs."
"Antipoden afroamerikanischen Bewusstseins", die "überwunden" werden müssen. Was für ein Glück, dass er uns aufklärt! Auch eine deutsche Version mit N-Wort folgt noch.
Schließlich konstatiert er zwischen den erfolgreichen und den andern Schwarzen einen "Riss zwischen ihnen, den leistungsorientierten Optimisten afrikanischer Einwanderer, und den anderen, den afroamerikanischen Teilen der Verweigerungshaltung". Aha, leistungsorientierte Optimisten gegen sich verweigernde (wahrscheinlich auch noch faule, primitive und sexbesessene nebst allen anderen Kolonial-Klischees, die uns sonst noch einfallen würden), äh, sagen wir doch einfach mal, N***r. Sind doch alle selbst schuld, wenn aus ihnen nichts wird!
Wollen Sie uns das sagen, Herr Knott?

Und bei der Emanzipation geht es natürlich nicht um die Befreiung von Rassismus, sondern um Folgendes:
"Zumindest ein Teil der Afroamerikaner hat sich emanzipiert von der vormals natürlichen Verbindung zwischen Hautfarbe und (politisch-gesellschaftlicher) Identität."
Na, wenn diese Erkenntnis "zumindest" bei einem Teil angekommen ist, besteht ja noch eine Chance. Vielen Dank für die Lektion, Herr Knott!

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