Dienstag, Juni 03, 2008

Quote of the Day: "Innocent Racism"

Nachdem ein Text, der in dem Buch Deutschland Schwarz Weiß. Der alltägliche Rassismus ein Kapitel eröffnet, nun schon von diversen Bloggern veröffentlicht wurde (z.B. hier und hier), will ich ihn auch den Lesern von BLACKprint nicht länger vorenthalten:

INNOCENT RACISM

Wann immer ich meine Texte lese,
wann immer ich keine Lust habe.
Fragen nach meiner "Herkunft" zu beantworten.

Wann immer ich meine Meinung zu Worten wie Negerküssen, Mohrenköpfen und "Mulatten in gelben Sesseln" sagen soll.

Höre ich von euch, dass das alles kein Rassismus ist, dass ich zu empfindlich bin, wenn sich mir der Atem zuschnürt,
dass all das in der Vergangenheit liegt und heute in DEUTSCHLAND keine Bedeutung mehr hat,
dass ich froh sein kann über meinen Exoten-Bonus und all die Türen, die sich deswegen für mich öffnen.

Ich bin drei, als ich auf gut fränkisch höre "du darfst fei net mitspielen"
Ich bin sechs, als man mir einredet, dass ich wie ein Affe aussehe und lieber im Busch Bananen pflücken soll.
Ich bin acht, als man meiner Mutter auf der Straße "Negerhure" hinterherschreit.
Noch immer acht, als eine alte Frau in der Straßenbahn meinen Bruder und mich auffordert, doch endlich nach Hause zu gehen. Wie wären ja schließlich lang genug hier gewesen.
Ich bin 13, als ich zum ersten Mal von einem Fremden angegriffen werde, als ich mir beim Zeitungaustragen mein erstes eigenes Geld verdiene und vom einem äteren Mann erst im Hausflur rumgeschubst und schließlich auf die Straße geworfen werde.

Ich bin 15, als ich auf einer Party zum ersten Mal Bekantschaft mit einem Springerstiefel in meinem Gesicht mache.
Ich bin 18, als ein Typ-den ich verdammt noch mal vorher wochenlang gedatet habe, um sicherzugehen, dass er auch wirklich mich meint - nach dem ersten Sex sagt "Wow, das war jetzt das erste Mal, dass ich mit ner schwarzen Frau im Bett war"


Jetzt bin ich 25 und kann es noch immer nicht leiden, wenn Leute mich auf nem Gehweg warten lassen, weil man mich zu oft gefragt hat, was ein Blowjob kostet.
Ich bin verdammte 25 und fremde Menschen fassen noch immer ohne zu fragen meine Haare an und erzählen mir, wie süß doch "Schokokinder" sind und dass sie soooo gern selbst eins hätten.

Freunde von mir tun das auch und denken, das wär ein Kompliment.

Halten mir vor, dass ich doch nur, weil ich so "exotisch" aussehe in Musikvideos und Werbespots rumhüpfe.
Als wenn ich das nicht selbst wüsste.
Als würde das irgendwas besser machen.
Als gäbe es ein alternatives Ich ohne mein Afro-Optik. Und was sollte das sein?

Aber ja, ich bin doch dankbar dafür, dass Ehemänner ihre Frauen mit mir betrügen wollen, um ein bisschen Würze in ihre leben zu bringen, wenn das Madras Curry auf dem Küchenregal nicht mehr aussreicht
dafür, dass man mir in Sachen Musik, Party, Sex und Übersetzung völlig vertraut, ohne zu hinterfragen, ob ich tatsächlich ne Ahnung hab
dafür, dass man einfach weiß, dass ich Singen, Tanzen und extrem gut Sexen kann, weil es mir in die Wiege gelegt ist.

Und wie könnte ich euch böse sein?
Ich bin schließlich noch am Leben
wurde nicht halbtot geprügelt, während man mich dreckiger Nigger genannt hat
wurde nicht an Händen und Füßen gefesselt und auf der Polizeiwache verbrannt
Musste keine Schuhsolen ablecken und "Heil Hitler" schreien.
Sollte nicht in den Kantstein beißen, damit man danach wie in "American History X" auf meinen Hinterkopf treten kann.

Nein, mir geht es gut.
Ich bin - zumindest in Hamburg Altona - relativ sicher,
kriege Jobs, man kann mich nicht ausweisen.

Und euer Rassismus ist so unschuldig
weil ihr weder Böses wollt, meint, noch tut
und einfach nicht versteht,
was ihr Tag für Tag, Spruch für Spruch und Frage für Frage
anrichtet.

Aber ich bin genau so unschuldig wie ihr.
Und ich war unschuldig mit 3, 6, 8, 13, 15 und 18
und bin und war trotzdem
ständig konfrontiert
mit eurem
innocent racism.


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Innocent Racism - Spoken Word Poetry von Victoria B. Robinson steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung-Keine Bearbeitung 2.0 Deutschland Lizenz.

1 Kommentar:

Katharina hat gesagt…

Ein Text, der berührt. Ich glaube, ich kaufe mir doch noch das Buch von Noah Sow. Insgesamt ein gut gemachter Blog. ;-) Viele Grüße.