"Sklaven der eigenen Macht"
Artikel der Hamburger Morgenpost, 14.10.2006:
WANDSBEK
Sklaven der eigenen Macht
Warum mitten in Hamburg das Denkmal eines Menschenhändlers steht - und da bleibt
MATHIS NEUBURGER
Mit einem schnöden "Wir haben in den Anträgen Fehler gefunden. Deshalb stimmen wir nicht zu" beendete die CDU am Donnerstagabend die wochenlange Diskussion um den Abriss der Schimmelmann-Büste am Wandsbeker Markt. Der letzte Akt eines Lehrstücks, wie machtorientiert Politik schon auf den untersten Ebenen funktioniert. Und wie es im Hamburg des 21. Jahrhunderts möglich ist, dass ein Sklavenhändler ein Denkmal bekommt. Die Chronik der seltsamen Vorgänge:
Drei Büsten "verdienter Wandsbeker" hatte Bezirksamtsleiter Gerhard Fuchs am 10. September im Puvogel-Garten aufstellen lassen. Sie sollten, so die erste Begründung für das Denkmal, die Identifikation der Wandsbeker mit ihrem Stadtteil erhöhen. Mit dabei: Das Konterfei des größten Sklavenhändlers seiner Zeit, Heinrich Carl von Schimmelmann (1724-1782). Sofort folgte wütender Protest.
Doch weder die beteiligte Kultursenatorin Karin von Welck (CDU) noch Fuchs waren sich eines Fehlers bewusst. Stattdessen rühmte man sich - Begründung Nummer zwei -für das Denkmal - Schimmelmann zum ersten Mal in der Öffentlichkeit mit dem Sklavenhandel in Verbindung gebracht zu haben. Und in der Tat taucht auf einer Infotafel das Wort "Sklaven" auf - in Klammern am Ende des Textes. Im übrigen Teil wird seine Wohltätigkeit für die Wandsbeker gelobt. Geschichtsprofessor Andreas Eckert fiel zum Verhalten der Verantwortlichen im MOPO-Interview nur das Wort "naiv" ein.
Spätestens als neben der rot-grünen Opposition auch die "Black Community", ein Zusammenschluss afrikanisch-deutscher Initiativen, den sofortigen Abriss des Bronzekopfes forderte, wäre Zeit zum Umdenken gewesen. Doch das hätte gehießen, einen Fehler einzugestehen. Eine Tatsache, die die CDU sich und ihrem Bezirksamtsleiter unbedingt ersparen wollte. So kam es, dass CDU-Fraktionschef Eckard Graage erst der MOPO sagte, die Infotafel solle geändert werden. Dann aber einen Rückzieher machte: Alles solle bleiben wie es ist. Denn, und jetzt folgt die dritte und letzte Begründung für das Denkmal: Es hätte ja eine breite Diskussion über Schimmelmann eingesetzt - zum ersten Mal dank Fuchs und der CDU. Als hätten sie das von Anfang an gewollt.
Ein Fehler wird so in einen Verdienst verwandelt. Das Verdienst, dass in Hamburg das Denkmal eines Sklavenhändlers stehen bleibt.
(MOPO vom 14.10.2006 / SEITE 13)
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