Sonntag, Juli 20, 2008

Kritik an einer Veranstaltung zu Simbabwe...

...von zwei Aktivistinnen, die daran teilgenommen haben. Hier im Volltext:
Black Box Simbabwe oder White Box Buttclub

Zur Abwechslung mal keine Veranstaltungsankündigung, auch kein Wohnungsgesuch, sondern ein Resümee der Veranstaltung „Black Box Simbabwe“, jeudi bouffe vom 10.Juli 2008, im Buttclub. Wir bieten keine abschließende Bewertung der Veranstaltung, sondern die Perspektive von zwei Personen, die an dem Abend anwesend waren.

Im Buttclub-Verteiler angekündigt worden war „die Anwesenheit eines Freunds, der seit mehreren Jahren in Simbabwe lebt und als Gesprächspartner zur Verfügung steht“. Auch wenn aus der Veranstaltungsankündigung nicht hervorgeht, dass hier ein Experte über die aktuelle Situation in Simbabwe sprechen wird, sollte es trotzdem unserer Meinung nach doch gewisse Standards geben, was inhaltliche Kompetenz und kritische Reflektion der eigenen Positioniertheit angeht.

Zunächst einmal waren wir irritiert (warum eigentlich?), als wir feststellten, dass auch bei einer Veranstaltung unter dem Titel „Black Box Simbabwe“ der Buttclub von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen, ein weißer deutscher Raum bleibt. Dass der Buttclub-Verteiler ein primär weißer deutscher Verteiler ist, war uns klar. Dass man aber selbst bei einer Veranstaltung mit dem Titel „Black Box Simbabwe“ keinen Wert darauf legt, dass auch Schwarze ExpertInnen anwesend sind und SprecherInnenpositionen bekommen, enttäuscht uns.

Als dann von Seiten des eingeladenen Freundes aus Simbabwe angekündigt wurde, dass um das Ganze „authentisch“ (Zitat) zu gestalten, ohne Besteck gegessen wird, war uns klar, dass das Ganze für uns ein unangenehmer Abend wird. Die Bemühung um simbabwische Authentizität gipfelte darin, dass erklärt wurde, dass wir uns auf eine bestimmte Art und Weise in die Schlange zum Essen einreihen sollten.

Nachdem drei Clips, die teilweise das übliche Afrika-Bild vermittelten (Korruption, Chaos, Hunger, Armut und dazu tanzende Menschen), hintereinander gezeigt worden waren und der „eingeladene Freund“ schon zum vierten Clip übergehen wollte, fragte berechtigterweise endlich jemand aus dem Publikum: „Was machst du eigentlich in Simbabwe?“ Diese Frage wurde mit „Ich bin einfach MAP.“ – was so viel heißt wie „Mitreisender ausländischer Partner“ (MAP). Seine Freundin arbeitet in Simbabwe in einer NGO. Soviel zum Thema Reflektion der eigenen Position. Auch die Darstellung der dortigen Klassenverhältnisse fiel ziemlich spärlich aus: Das Viertel, indem er wohnt, beschrieb er auf Nachfrage hin mit „das ist jetzt nicht so überkandidelt“ (was auch immer das heißen mag) und „ich hab weiße Nachbarn und ich hab schwarze Nachbarn“. Glücklicherweise fiel ihm an dieser Stelle das Wort „schwarz“ ein, an anderer Stelle war von „Afroafrikanern“ (???) die Rede.

Wer stereotypisierendes Bildmaterial verwendet, muss in der Lage sein, dieses zu kontextualisieren und kritisch zu hinterfragen. Kommentarlos einen Clip nach dem anderen abzuspielen reicht uns nicht. Zu den Videoclips konnte „der eingeladene Freund“ auch nur sagen, dass es ja unterschiedliche Perspektiven gäbe, dass BBC anders berichte als Al-Jazeera und dass das irgendwie alles spekulativ sei und man eigentlich gar nicht wissen könne, was los ist. Diese Haltung zog sich durch den gesamten Abend hindurch; alles ist irgendwie spekulativ, nebulöse poltische Verhältnisse, Opposition – ja, gibt es wohl irgendwie, eine klare Position ist nicht erkennbar, Zeitung wird in England herausgegeben…komisch, komisch…

Könnte es sein, dass einem weißen Deutschen, der sich in Simbabwe aufhält, weil seine Freundin dort bei einer NGO arbeitet, und der wahrscheinlich auch keine der in Simbabwe gesprochenen Sprachen beherrscht, einfach vieles von dem entgeht, was für eine politische Analyse der aktuellen Situation in Simbabwe wichtig wäre?
Zufällig ist es jedenfalls nicht, dass so ein koloniales Afrika-Bild verfestigt wird, welches die dortigen politischen Verhältnisse als tendenziell irrational (v)erklärt und aus der eigenen Unwissenheit auch noch eine Gewissheit macht.
Diese und ähnliche Fragen wären zumindest eine Überlegung wert gewesen. Unser Eindruck war, dass sich niemand – weder der „eingeladene Gast“ noch die „Gastgeber“ - derartige Fragen gestellt hat.

Es geht uns nicht darum, dass man sich akademisch und abgehoben ausdrücken muss, um über ein Thema eine Veranstaltung zu machen. Wir erwarten aber, dass der gleiche inhaltliche Anspruch an Veranstaltungen zum Thema Simbabwe gestellt wird, wie er auch bei „üblichen“ Themen in der deutschen Linken gestellt wird. Es gibt genügend ExpertInnen zu diesem Thema, die man hätte einladen können. Einfach nur MAP zu sein genügt nicht!

Und wir erwarten, dass die eigene Position kritisch reflektiert wird - erst recht, wenn Weiße in einem primär weißen Rahmen eine Veranstaltung zu Simbabwe machen. Hätte vorher eine sinnvolle Auseinandersetzung mit diesen Umständen stattgefunden, wäre es vielleicht nicht zur Verwendung von so Neologismen wie „Afroafrikaner“ gekommen.

Es gab von Seiten weniger Personen im Publikum einige Versuche, doch noch irgendwie eine sinnvolle politische Analyse hinzukriegen, indem etwa nach konkreten Machtverhältnissen, nach Auswirkungen der Landreform, nach unterschiedlichen Interessen, etc. gefragt wurde. Da aber aus der Sicht des „eingeladenen Gastes“ alles in Simbabwe spekulativ und undurchsichtig ist, waren diese Versuche zum Scheitern verurteilt.

Stattdessen gab der „eingeladene Gast“ zwei simbabwische Geldscheine herum (als authentisches Material?), die dann im Publikum herumgereicht wurden. Die meisten fanden das sehr lustig und machten Kommentare wie „Huh, eine halbe Million – das reicht für uns alle!“ oder hielten die Scheine gegen das Licht, um dann festzustellen, dass sie sehr einfach zu fälschen seien. Auf ähnlichem Niveau bewegten sich auch die meisten der Wortbeiträge: Fragen wie „Was ist Mugabe eigentlich für ein Typ – spinnt der oder ist der einfach nur korrupt?“, die dann aus dem Publikum mit „Nee, der ist einfach nur alt“ beantwortet wurden, über Redebeiträge, die anfingen mit „Als ich vor 10 Jahren in Gambia war….“ Oder „Als ich vor 8 Jahren im Senegal war…“ – zusammen mit einem Gastredner, der keinen Durchblick hatte und der Meinung war, dass man dies auch nicht haben könne, ließen das Ganze immer mehr zu einer Veranstaltung werden, der man auch den Titel „politisch angehauchte Reiseerinnerungen deutscher Linker an Afrika“ hätte geben können. Man stelle sich eine Veranstaltung beispielsweise zum Thema „Aufstände in den Banlieus“ vor, auf der dann Leute ihre Redebeiträge mit „Als ich vor 10 Jahren in Litauen war…“ oder „Als ich vor 8 Jahren in Dänemark war…“ beginnen. Die meisten Anwesenden wären zu Recht genervt und würden protestieren. Beim Thema „Simbabwe“ hat sich niemand daran gestört – zumindest hat niemand etwas gesagt.

Dies alles ist Ausdruck allgemeiner rassistischer Verhältnisse, die sich auch in der deutschen Linken widerspiegeln. Umso wichtiger ist die kritische Reflektion dieser Verhältnisse im Vorfeld solch einer Veranstaltung, bei der Wahl der ReferentInnen etc.

Wenn das zu anstrengend ist, dann kündigt doch bitte nächstes Mal solche Veranstaltungen direkt unter dem Titel „Stammtischgespräche mit einem MAP“ an.
Warum haben wir das alles nicht direkt an dem Abend thematisiert?

Weil wir den VeranstalterInnen einen Vertrauensbonus gegeben haben, der uns daran gehindert hat, die Veranstaltung sofort zu kritisieren. Weil wir den Gast, der auf uns den Eindruck machte, überfordert zu sein, nicht bloßstellen wollten. Weil es anstrengend ist, die immer gleichen Erfahrungen zu machen, diese zu problematisieren und die üblichen Abwehrreaktionen zu bekommen. Weil wir keine Lust hatten, mal wieder als diejenigen da zu stehen, die eine Veranstaltung sprengen. Und weil wir, wie alle anderen wahrscheinlich auch, einen interessanten Donnerstagabend verbringen wollten, der uns inhaltlich weiterbringt, statt uns an weißen Dominanzstrukturen in der deutschen Linken abzuarbeiten.

Negar Taymoorzadeh und Yordanos Asghedom 18/07/2008
(Kanak Attak)

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1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Danke für die Beschreibung des Abends. Ich kann mir ein ziemlich klares Bild von der Veranstaltung machen und auch davon , wie ärgerlich und nervenaufreibend es gewesen sein muß, dort zu sitzen.
Ich würde ja einerseits gerne in all die Diavorträge gehen, die überall von den Hobby-Experten gehalten und auch wahrscheinlich recht gut besucht werden. Aber mir fehlen auch die Nerven , das ganze auszuhalten ode gar die Folgen meiner möglichen Nachfragen zu Inhalten des Vortrages durchzustehen. Das geht wahrscheinlich nur nach bester Vorbereitung, Training und zusätzlicher Lust am Sport und Spiel während der zu erwartenden Wortschlacht.
S.