Mittwoch, September 05, 2007

Community-Beitrag in Kolonialismus-Broschüre

Die GAL (so heißen in Hamburg die Grünen) hat heute eine Broschüre herausgegeben, in der sich verschiedene Autoren mit dem Thema Kolonialismus und dessen Kontinuitäten in Hamburg beschäftigen. Hier der Community-Beitrag:

Ein Jahr später – Die Black Community und das Schimmelmann-Schandmal
VON VICTORIA B. ROBINSON

“Es handelt sich nicht um eine Verherrlichung“, dies erfuhr ein Journalist, als er sich bei der Pressestelle des Bezirksamtes Wandsbek über die Büste von Heinrich Carl Schimmelmann informierte. Zunächst glaubte er, was man ihm sagte und schrieb seinen Artikel über Schwarzen Aktivismus in Deutschland für eine süddeutsche Tageszeitung. Nach der Veröffentlichung entschuldigte er sich bei mir dafür, dass er nicht mehr über Schimmelmann geschrieben habe – er sei schockiert darüber gewesen, dass er bei Ansicht des Denkmals bemerken musste, dass ihn die Pressesprecherin offensichtlich bewusst getäuscht hatte: “Es ist wirklich ein Skandal, denn die Tafel mit den Informationen ist überaus positiv und kein bisschen kritisch, und das Wort Sklaven ist ja nur in einer Klammer enthalten. Die Pressesprecherin des Bezirksamtes hatte mir am Telefon zuvor etwas ganz anderes erzählt”, so schreibt er in seiner E-Mail.

Wie man sich allen logischen Argumenten verschließen und darauf beharren kann, dass kein Problem, keine historische Relativierung und kein Rassismus vorliegen, wenn die Büste des ehemals größten Sklavenhändlers Europas aufgestellt wird, kann auch ich dem Redakteur nicht erklären. Alles, was ich von den Verantwortlichen an “Argumenten” zu hören bekommen habe, sind abstruse Aussagen wie “ein Denkmal ist keine Ehrung”, “die Büste hat ja auch einen arroganten Gesichtsausdruck”, oder man hätte mit der Aufstellung einen kritischen Diskurs anregen wollen.
Kritisch?
Die Tafel am Denkmal spricht eine andere Sprache, würdigt die kaufmännischen Fähigkeiten des Mannes, der sein eigenes Brandzeichen anfertigen ließ, das mehr als 1000 afrikanischen Menschen unter unvorstellbaren Qualen in ihre geschundene Haut gebrannt wurde. Ein Herz umgibt das Schimmelmann-”S”. Ein Herz, das offensichtlich nur für Profite schlug und nicht von Gedanken an Schmerz, Folter, Mord, Entführung und unendliche Grausamkeit, für die dieser Mann zehntausendfach verantwortlich war, abgelenkt wurde.
Damals war es eben so. Und der ehrwürdige Herr hat ja so viel Gutes getan mit dem Geld, das er durch diese unmenschliche Ausbeutung erworben hat. Seinen Adelstitel kaufte er ebenso von dem schmutzigen Geld wie sein Ansehen als Wohltäter. Ein Wohltäter, der übrigens auch eingeborene Hamburger Waisenkinder als billige Arbeitskräfte missbrauchte. Aber was machen schon die vielen Tausend zerstörten Leben, wenn man sich als Held inszenieren kann?

Und heute? Heute geht es offensichtlich weiterhin nicht darum, was Schwarze Menschen empfinden. Damals landeten sie als Ware neben Kattun und Gewehren, Zuckerrohr und Baumwolle auf Güterlisten, heute sagt man uns, wir sollten uns nicht aufregen, wenn wir unter der Bezeichnung “Sklaven” neben eben diesen Gütern in Klammern auf einer Gedenktafel landen. Als Basis für den wunderbaren Reichtum, den ein Herr Schimmelmann nach Wandsbek gebracht hat. Würde eine Tafel, die einen NS-Mediziner für die bahnbrechenden medizinischen Erkenntnisse ehrt, die er durch Versuche an Juden und anderen “Nicht-Ariern” unter Zwang durchführte, ähnlich unkritisch aufgestellt und erhalten?
Die Vorstellung ist ebenso absurd und menschenverachtend wie die Erinnerung an die hochoffizielle, feierliche Einweihung der Schimmelmann-Büste durch die Hamburger Kultursenatorin und deren anschließende Rechtfertigung in den Medien.
Der Nachrichtenwert? Nach nun einem Jahr kaum noch existent. Unsere Anfragen, Proteste, offenen Briefe? Unbeachtet und unbeantwortet. Unsere Strafanzeigen gegen die Kultursenatorin und den mittlerweile zum Staatsrat beförderten ehemaligen Bezirksamtsleiter Gerhard Fuchs? Abgeschmettert.
Bloß keine Aufregung. Wenn man nur lange genug auf der Rechtmäßigkeit beharrt, werden sich die Wogen schon glätten. So scheinen die CDU-Abgeordneten zu denken, die ihre absolute Mehrheit in Wandsbek dazu nutzten, einstimmig für den Erhalt von Büste und Tafel zu stimmen. Dies, nachdem deren Fraktionsvorsitzender in der Wandsbeker Bezirksversammlung, Graage, nur wenige Wochen zuvor selbst beantragt hatte, Tafel und Denkmal zu verhüllen und in einem Ausschuss das weitere Vorgehen zu besprechen. Bei Graage war angekommen, dass es gegen jedes Verständnis von Menschlichkeit verstößt, die Empfindungen von – schwarzen wie weißen – empörten Bürgern zu ignorieren und kritiklos einen Menschen zu ehren, dessen grausame Taten auch heute noch Schmerz bei den Nachkommen von Betroffenen auslösen. Wenige Wochen später, rechtzeitig zur Bezirksversammlung, war Graage offensichtlich wieder auf Spur gebracht worden und sah sich noch nicht einmal mehr in der Lage, den protestierenden Anwesenden in die Augen zu sehen oder seinen plötzlichen Sinneswandel zu erklären. Ebenso wie der Rest seiner Fraktion, die sich christlich nennt, aber mit Nächstenliebe nichts zu tun hat und damals wie heute nur einen Gott zu kennen scheint: den Profit auf Kosten derer, denen man die Anerkennung ihrer Menschlichkeit verweigert.

Die Black Community fordert weiterhin – gemeinsam mit vielen anderen empörten Bürgerinnen und Bürgern, Organisationen und Initiativen – das Entfernen des Denkmals aus dem öffentlichen Raum, eine öffentliche Entschuldigung sowie eine Auseinandersetzung mit der Beteiligung Hamburgs an der Versklavung von Afrikanern, der Kolonisierung des afrikanischen Kontinents und der Folgen, die der afrikanische Kontinent und Angehörige der afrikanischen Diaspora bis heute zu bewältigen haben.


1 Kommentar:

BRE hat gesagt…

Victoria, it's a pity that this article (post) you have written is not yet translated to the English language so that a wider global audience could learn from what you have written here. Many non-German speaking people have no idea who this man was and his impact on the transatlantic slave trade and colonialism in both West Africa and in the Carribean (Virgin Islands) during the 18th Century.

Denmark's role in the transatlantic trade in African slaves is often portrayed as a minor event (number of slaves transported, slave deaths at sea, duration of Danish participation etc.) but the political and trade relationships between the German Hanseatic League city of Hamburg and the Danish Royal Court was very close during this period.

People like Heinrich Carl Schimmelman, one of Europe's richest merchants of the time and owner of an armada of slaving vessels AND sugar and cotton plantations in the Carribean during the 18th Century should not be honored with statues and monuments and memorial coins and the like in today's so-called modern and multi-cultural Germany.

What may be even worse is that also located in the City of Hamburg is a memorial to Herman von Wissman, loyal servant and right-hand man to the murderous King Leopold I of Belgium who setup his private feifdom the Free Congo State (later named the Belgian Congo, Zaire, and today the Democratic Republic of Congo). It is estimated that more that 12 million Congolese men, women, and children died during this ill-conceived European colonial experiment in Central Afrika (see the documentary film "Red Rubber, Black Death" or read "King Leopold's Ghost").

The information available on the Internet in the English language about these two men is very limited and the information "auf Deutsch" in not much better. Perhaps that is what the German historians and politicians and business community want, no real information or at least a romantic ZDF-style look back at their glorious past.

You may want to point your English-speaking readers to the information available on Herman von Wissman at the Afrika-Hamburg.de site as they at least have an English language summary. Wikipedia has nothing in English on Heinrich Carl Schimmlman and what they have on Herman von Wissman makes the guy look like some sort of hero, which he most certainly was not.

Hamburg, the home of Germany's global players in international trade and commerce, indeed!