Freitag, November 28, 2008

Nachtrag "Plötzlich Papa" auf Sat.1 - Ein paar Gedanken

Womöglich habe ich mich ein bisschen zu früh gefreut, als ich letzte Woche beim Zappen auf die eine gute Stelle der Serie gestoßen bin (klick), denn leider ist die Serie weit von einem revolutionären (weil fairen und realitätsgetreuen, nicht rassistischen) Ansatz entfernt. Schade eigentlich.
- Subjektivität: haben leider nur die weißen Menschen. Wie der/die anonyme Kommentator/in bei meinem Ursprungspost richtig bemerkt hat, handeln Schwarze Menschen nicht eigenständig. Sie können noch nicht einmal sprechen. Das Baby "Fanny" ist dafür noch zu klein, die Schwarze Mutter ist tot.
- Visibilität: Seltsamerweise gibt es im Berlin Kreuzberg der Serie nur weiße Menschen, zum Großteil blonde (in dem Kreuzberg, in dem ich gerade jetzt sitze, sieht es anders aus). Niemanden of color, nicht mit türkischen, nicht mit asiatischen, erst Recht nicht mit afrikanischen Roots. Alles deutsch-deutsch-biodeutsch-arisch. Das Baby Fanny ist der einzige "Farbklecks" und das scheint auch die einzige Funktion des Kindes zu sein. Die Mutter existiert nur als Foto im Bett des Babies.
- Interaktion: Da of color-Charaktere selbst nicht sprechen können, wird ja natürlich nur stellvertretend für sie geredet. So heißt es im Vorspann ungefähr "es sieht zwar nicht so aus, aber ich bin ihr Vater". Und mit der plötzlichen und überraschenden Ankunft von Fanny ist das Luxusleben des vormals erfolgreichen Aufreißers vorbei, der nun in einer "Gutmenschen-Kanzlei" arbeiten, seinen Porsche aufgeben und die vielen Frauen auch nicht mehr rücksichtslos abschleppen kann. Das Schwarze Baby macht ihn also nach und nach zu einem besseren Menschen - er wird dadurch gerettet, dass er sich um das hilflose, verlassene Schwarze Kind kümmert. Wird im Zusammenhang eigentlich Spendenwerbung für World Vision "Werden auch Sie ein besserer Mensch, werden Sie Pate" gezeigt?

Insgesamt muss man natürlich sagen, dass Sat.1 einen gewaltigen Schritt gemacht hat. Auf diesem Sender liefen vor gar nicht allzu langer Zeit die vor Kolonialscheiß, Rassismus und Menschenverachtung nur so triefenden Folgen von "Wie die Wilden" (siehe derbraunemob unter "So geht's nicht"). Insofern ist es natürlich schon fast phänomenal, dass es dort jetzt Schwarze Menschen ohne Knochen im Haar und Baströckchen gibt. Aber leider noch lange kein Durchbruch.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ich habe vor ein ein/zwei Jahren für diese Produktion gearbeitet und kann Euch versichern, dass alles was dort produziert wird, gerade unter der Redaktion von Sat1 nicht dem Zufall überlassen wird.
Drehbuch und Dreharbeiten werden stark kontrolliert. Redaktion bedeutet, dass auch Dialoge am Abend des Drehtages ev. geändert werden. D.h. soll ein Themenkomplex angesprochen werden, der als innovativ gilt, wird er dem vorwiegend weiss denkenden Zuschauern mundgerecht in kleinsten Bröckchen verabreicht.
Sieht die Redaktion (NICHT die Produktion) emotionale Schwierigkeiten der Darsteller oder der allgemeinen Darstellung, werden diese ignoriert oder überangepasst, was heisst: "Wenn wir das Thema Afrodeutsch bringen, muss der zuschauende Mainstream vor Überforderung geschützt werden". Das tut man indem das Umfeld der Handlung stark arisiert und damit die Identifikation sichergestellt wird .
Es drohen die geldwerten Mainstreamzuschauer wegzuzappen, wenn sie auch nur ein Gran zu stark gefordert werden.

Das heisst: Die mediale Integration kann nur soweit und so tief gehen, wie die Zuschauer nicht zu stark berührt werden.
Weisse Eltern von Afrodeutschen betrachten "Afrokinder" als ihren Besitz, der kein eigenes Umfeld oder eine eigene schwarze Identität entwickeln soll, damit es die Eltern damit nicht unterbewusst bedroht.

Redaktion bei Serien und TV-Filmen ist eine hohe Kunst und bedarf Skills in gesamtgesellschaftlicher Frequenzkontrolle. Die Quote zählt.
der Bildungsauftrag gilt für die Privaten nicht wirklich.