Mittwoch, Juni 20, 2007

Ach was?! Artikel aus der FTD

Auf dem rechten Auge blind
von Stephan Zimprich (Hamburg)

Eine Studie der Grünen hat die politische Einstellung von Bürgern im ländlichen Raum untersucht. Das Ergebnis: Rassismus und Antisemitismus sind nicht nur bei ausgewiesenen Neonazis zu finden, sondern reichen bis weit in der Mitte der Gesellschaft - ohne dass es jemand merkt.Nicht nur Skinheads zeigen in Deutschland rechtsextreme Einstellungen
Nicht nur Skinheads zeigen in Deutschland rechtsextreme Einstellungen
Ist die Nazi-Ideologie in Deutschland weiter verbreitet als gedacht? Diese Frage wirft eine aktuelle Studie der Grünen auf, die am Mittwoch in Berlin präsentiert wurde. In der Studie wurden zwei Kommunen, eine in Ostdeutschland, eine in Bayern, auf das Vorhandensein nationalsozialistischer Einstellungen in der Bevölkerung untersucht. Das Ergebnis: Für die nationalsozialistische Ideologie typische Haltungen wie Rassismus, Antisemitismus, Demokratiefeindlichkeit und Sozialdarwinismus sind in beiden Fällen weit verbreitet - ohne dass die jeweils Betroffenen sich selbst als "Nazi" oder "rechtsextrem" bezeichnen würden oder von ihren Mitbürgern entsprechend wahrgenommen würden.

Der Grund dafür liegt der Studie zufolge in einer weit verbreiteten Fehlwahrnehmung: Nazi sein kann nur, wer offen rechtsextrem ist. Alle anderen befinden sich im politischen Normalbereich und können deshalb per Definition keine Nazis sein. Die tatsächliche Einstellung spielt in dieser "Extremismuskonzeption" keine Rolle - wer sich nicht offen einer entsprechenden Subkultur zuordnet, ist eben kein Nazi.

Die Befunde gleichen sich in Ost und West. Lokale Initiativen gegen Neonazis haben der Studie zufolge in den betroffenen Gemeinden nur dann die Unterstützung der Gemeinde, wenn der Bürgermeister selbst sich an der Spitze engagiert hat. Schon diese Beobachtung allein werten die Autoren der Studie als Demokratiedefizit. Die Kommunalverwaltungen kooperierten in beiden untersuchten Gemeinden allerdings nicht aus Überzeugung: "In beiden sollte die Zusammenarbeit auch dazu dienen, die Auseinandersetzungen über die richtige Strategie aus der Öffentlichkeit zu holen", schreiben die Autoren. Eine offenen Disput könne die Gesellschaft in den Kommunen nicht ertragen.

In den vergangenen Jahren war es vor allem im Osten häufig zu Übergriffen gekommen. Kurz vor der Fußballweltmeisterschaft warnte der frühere Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye gar vor "No-Go-Areas" in den neuen Bundesländern, die vor allem dunkelhäutige Menschen meiden sollten. Kritik gab es immer wieder an der abwiegelnden Reaktion der Politik wie auch am zurückhaltenden Vorgehen der Behörden gegen die Neonazis. So schritt die Polizei nicht ein, als auf einer Feier in Pretzien das "Tagebuch der Anne Frank" verbrannt wurde. Auch im jüngsten Fall, einem Überfall auf Mitglieder einer Theatergruppe in Halberstadt, ließ die Polizei die Täter zunächst laufen und intensivierte erst nach massiver Kritik ihre Ermittlungsarbeit.

In der Beschränkung der Wahrnehmung auf die offene Neonazi-Szene liegt den Autoren zufolge eines der wesentlichen Probleme. In der Öffentlichkeit existieren Neonazis heute vor allem als Randgruppe oder Jugendsubkultur. An diesen abgrenzbaren Gruppen würde sich abgearbeitet, statt den Schwerpunkt auf die inhaltlichen Einstellungen der Bürger zu legen.

komplett geklaut bei FTD

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